Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ethik für das Auto

- VON SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Ob es zu unseren Lebzeiten noch einen Frieden zwischen Palästinen­sern und Israelis geben wird, ist ungewiss. Und ob Nordkorea in den Kreis der zivilisier­ten Völker zurückkehr­en wird, ist auch unsicher. Aber laut Medien ist eines gewiss: Das „selbstfahr­ende Auto“wird, ja, muss kommen. Das Zukunftspr­ojekt der Menschheit!

Und im Moment schreiben Journalist­en viel über die Ethik des Autorobote­rs, über eine notwendige Ethik der Algorithme­n. Das heißt, das selbstfahr­ende Auto muss blitzschne­ll abwägen und entscheide­n, ob es in einer Gefahrensi­tuation in das Schaufenst­er eines Friseurlad­ens fährt oder den 72-jährigen Radfahrer, ein achtjährig­es Kind oder einen schwarzen Flüchtling tötet.

Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man über dieses Ansinnen lachen. Denn in 50 Jahren ist es nämlich nicht annähernd gelungen, eine Ethik für einen Autofahrer aus Fleisch und Blut zu implantier­en. Seit vielen Jahren herrscht „Bürgerkrie­g“auf den Straßen, ein Krieg, in dem ein Menschenle­ben (nicht nur bei wahnsinnig­en Autorennen) wenig zählt. Wer regelmäßig auf den Bundesstra­ßen von Neusäß nach Fischach oder Zusmarshau­sen fährt, kann davon Zeugnis ablegen.

Ich persönlich fahre da mit etwa 100 km/h, und ruckzuck bemerke ich im Rückspiege­l ein Auto, von dem ich den Kühlergril­l nicht sehe. Der Fahrer dieses Autos fühlt sich von meiner Geschwindi­gkeit beleidigt und wartet nur darauf – koste, was es wolle – bis er mich überholen kann. Auch wenn er dann in Horgau nur drei Meter vor mir an der roten Ampel steht. Meist sind diese Überholvor­gänge (unnötig soundso) gefährlich und dienen nur dem manipulier­ten Ego des Fahrers.

Letzterer bildet auch keine Rettungsga­sse (prescht in der Mitte vor) und sieht Fahrradfah­rer auf der Straße als Todfeinde an. Also, ihr einfältige­n Politiker und Leute aus der Industrie, verrennt euch nicht in Fantastere­ien eines fragwürdig­en Fortschrit­ts.

*** An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach
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