Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ethik für das Auto
Ob es zu unseren Lebzeiten noch einen Frieden zwischen Palästinensern und Israelis geben wird, ist ungewiss. Und ob Nordkorea in den Kreis der zivilisierten Völker zurückkehren wird, ist auch unsicher. Aber laut Medien ist eines gewiss: Das „selbstfahrende Auto“wird, ja, muss kommen. Das Zukunftsprojekt der Menschheit!
Und im Moment schreiben Journalisten viel über die Ethik des Autoroboters, über eine notwendige Ethik der Algorithmen. Das heißt, das selbstfahrende Auto muss blitzschnell abwägen und entscheiden, ob es in einer Gefahrensituation in das Schaufenster eines Friseurladens fährt oder den 72-jährigen Radfahrer, ein achtjähriges Kind oder einen schwarzen Flüchtling tötet.
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man über dieses Ansinnen lachen. Denn in 50 Jahren ist es nämlich nicht annähernd gelungen, eine Ethik für einen Autofahrer aus Fleisch und Blut zu implantieren. Seit vielen Jahren herrscht „Bürgerkrieg“auf den Straßen, ein Krieg, in dem ein Menschenleben (nicht nur bei wahnsinnigen Autorennen) wenig zählt. Wer regelmäßig auf den Bundesstraßen von Neusäß nach Fischach oder Zusmarshausen fährt, kann davon Zeugnis ablegen.
Ich persönlich fahre da mit etwa 100 km/h, und ruckzuck bemerke ich im Rückspiegel ein Auto, von dem ich den Kühlergrill nicht sehe. Der Fahrer dieses Autos fühlt sich von meiner Geschwindigkeit beleidigt und wartet nur darauf – koste, was es wolle – bis er mich überholen kann. Auch wenn er dann in Horgau nur drei Meter vor mir an der roten Ampel steht. Meist sind diese Überholvorgänge (unnötig soundso) gefährlich und dienen nur dem manipulierten Ego des Fahrers.
Letzterer bildet auch keine Rettungsgasse (prescht in der Mitte vor) und sieht Fahrradfahrer auf der Straße als Todfeinde an. Also, ihr einfältigen Politiker und Leute aus der Industrie, verrennt euch nicht in Fantastereien eines fragwürdigen Fortschritts.
*** An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.