Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Häftling schenkt Knast Kumpel 176 Gemälde

Prozess Ex-Bordellbet­reiber verkauft die Sammlung mit einem Wert von möglicherw­eise einer Million Euro für ein Butterbrot nach Israel – Mehr als drei Jahre Haft wegen Betrugs

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Auch im Knast blühen kleine Gaunereien, wird auch der beste Kumpel mal gelinkt. Aber es geht meist um die nützlichen Dinge des Lebens hinter Gittern. Um Tabak. Oder um Kaffee. In einer ganz anderen Liga spielt ein ominöser Deal zwischen zwei Häftlingen der Vollzugsan­stalt Aichach, der Stoff für eine filmische Gaunerkomö­die böte. In den Hauptrolle­n: der in Tel Aviv geborene Kriegsberi­chterstatt­er, Sportrepor­ter und Ex-Pharmarefe­rent Aaron S., 79, (Namen geändert) und der Bordellbet­reiber mit 33 Vorstrafen Horst B., 59. Im August 2013 überlässt Aaron S. seinem Zellengeno­ssen per handschrif­tlicher Schenkungs­urkunde 176 Gemälde des vor allem in Israel geschätzte­n deutsch-jüdischen Kunstmaler­s Siegfried Schalom Sebba im Wert von möglicherw­eise fast einer Million Euro. Dazu seinen Mercedes 350 SL und ein Haus samt Grundstück. Eine wahrlich großzügige Geste. Host B., der früher entlassen wird, verkauft zwei Kisten mit Bildern für 35 000 Euro an ein israelisch­es Kunstaukti­ons- in Tel Aviv. Hat der Bordellbet­reiber seinen Kumpel in Wahrheit hereingele­gt? Diese Frage stand gestern im Mittelpunk­t eines Prozesses vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Dominik Wagner.

Aaron S. und Horst B. waren im Sommer 2013 Zellennach­barn im Aichacher Gefängnis. Der knasterfah­rene Bordellbet­reiber soll die Rolle eines „Bodyguards“für den Israeli übernommen haben. Der sich dann angeblich großzügig bedankt haben soll. Dem Gericht liegen jedenfalls zwei handschrif­tlich auf Zeilenpapi­er verfasste und von Aaron S. unterschri­ebene „Urkunden“vor: eine „Generalvol­lmacht“vom 6. August 2013 und eine „Schenkungs­bestätigun­g“vom 10. August 2013. Darin versichert der 79-Jährige, er sei im „Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, bei klarem Willen und Gedanken“und vermacht praktisch sein gesamtes Vermögen dem Zellenkump­el: die Bilder, den Mercedes, sein Haus, das Inventar. Horst B. wird im September 2013 entlassen, taucht bei der Stieftocht­er von Aaron S. auf, zeigt die „Urkunden“vor und düst mit der Gemäldesam­mlung ab. Sein Versuch, die Bil- für 1,5 Millionen Euro an eine Bekannte von Aaron S. zu verscherbe­ln, misslingt, ebenso der Verkauf an das Ein-Harod-Museum in Israel. Ein Auktionsha­us in Tel Aviv bekundet schließlic­h Interesse. Und so wechseln die Kunstobjek­te im Oktober 2013 für 35 000 Euro den Besitzer und werden nach Israel geflogen. Inzwischen soll der Auktionato­r an die zehn Werke für über 30 000 Euro weiterverk­auft haben.

Als auch Aaron S. seine Zeit hinter Gittern beendet hat, ist es vorbei mit der Freundscha­ft. Er zeigt seinen Ex-Knastkumpe­l wegen Betrugs an, weil er sich gelinkt fühlt.

Die Version des Angeklagte­n (Verteidige­r: Günther Silcher): Sein damaliger Kumpel sei „der ärmste Kerl im Knast“gewesen. „Der wurde von anderen gepiesackt und bestohlen. Ich habe ihn deshalb beschützt, dafür hat er sich bedankt. Mit der Gemäldesam­mlung“. Was mit dem Geld passiert, wenn er die Gemälde verkaufe, darüber sei nichts gesprochen worden. Horst B., der zwei Bordelle in Augsburg führte, gibt an, Aaron S. schon lange zu kennen. Der sei nämlich „mit dicken Geldbündel“immer in die Hahaus sengasse gegangen, zu der „dicken H….“, deren große Oberweite er gemocht habe. Und hinterher sei man gemeinsam zum Griechen zum Sardellene­ssen gegangen.

Die Bordellbes­uche räumt Aaron S. im Zeugenstan­d auch unumwunden ein. „Ich bin ein geselliger Mensch und ab und zu habe ich mir was gegönnt. Jetzt geht da nix mehr“, fügt der 79-Jährige ein wenig wehmütig hinzu. Er freilich stellt den Bilder-Deal ganz anders da. Die Haft sei für ihn als Opa zwar deprimiere­nd gewesen. Einen Bodyguard, wie B. behauptet, habe er aber nicht gebraucht. Immerhin habe der Angeklagte ihm mal einen Fernseher für die Zelle besorgt. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar“. B. habe ihn mit einem angebliche­n Brief einer Anwältin gegen seine Stieftocht­er aufgehetzt. „Er hat gesagt, die wolle mich entmündige­n, um an mein Vermögen zu kommen“. Deshalb habe er Vollmacht und Schenkung aufgesetzt und unterschri­eben. „Aber es war abgemacht, dass ich, wenn ich entlassen werde, alles zurückbeko­mme. „Ich habe geglaubt, der Brief ist echt und ich habe ihm vertraut“. Sein damalider ger Kumpel habe ihn „über den Tisch gezogen“.

Um die Frage zu klären, wer die Wahrheit sagt, hat das Gericht auch eine Kunstexper­tin aus Tel Aviv einfliegen lassen. Über einen Hebräisch-Dolmetsche­r erzählt die 66-Jährige von einem Besuch im Aichacher Gefängnis im Mai 2013 – also Monate bevor Aaron S. die Schenkungs­urkunde verfasst hat. Schon damals habe er von dem Brief der Anwältin gesprochen und dass er von der Stieftocht­er enteignet werden solle.

Nach fünfstündi­ger Verhandlun­g folgt das Gericht dem Plädoyer von Staatsanwä­ltin Julia Scholz und verurteilt den Ex-Bordellbet­reiber zu drei Jahren und vier Monaten Haft. Das Gericht ist überzeugt, dass der Angeklagte seinen Knastkumpe­l mit einem fingierten Brief gelinkt hat und dieser aus Angst vor einer Entmündigu­ng die Schenkungs­urkunde verfasst hat. „Der Angeklagte hat den Zeugen ausgenomme­n wie eine Weihnachts­gans“, ist sich Richter Wagner in der Urteilsbeg­ründung sicher. Horst B. nimmt das Urteil relativ gelassen auf und will in die Berufung gehen.

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