Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein schockierender Einblick ins Rotlichtmilieu
Gesellschaft Frauen, die in Augsburg Prostituierte beraten und betreuen, schildern deren Situation. Die Stadträte müssen aber auch erfahren, dass ein neues Gesetz, das als Hilfsangebot gedacht ist, nicht zum Selbstläufer wird
Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich Augsburgs Stadträte intensiv mit der Situation im Rotlichtmilieu beschäftigen. In dieser Woche taten sie es. Das Thema kam im Allgemeinen Ausschuss zur Sprache, der sich mit Aspekten der öffentlichen Ordnung und Gesundheit befasst. Es waren zwar keine Informationen aus erster Hand – also direkt von Prostituierten –, doch was zur Sprache kam, löste teils tiefe Bestürzung und Betroffenheit aus. „Ich bin schockiert. Wer es nicht ist, der tut mir leid “, sagte Markus Arnold (FDP). Auch Regina Stuber-Schneider (Freie Wähler) musste, wie sie betonte, erst einmal verarbeiten, was sie zuvor gehört hatte. Zwei Vertreterinnen der Hilfsorganisation Solwodi, die sich seit vielen Jahren um Prostituierte kümmert, berichteten über die Situation im Augsburger Milieu, erzählten anschaulich von den Begegnungen mit Prostituierten und deren teils traumatischen Erlebnissen.
Dass das Thema beleuchtet wurde, hat mit einer Gesetzesänderung zu tun. Seit 1. Juli gilt bundesweit das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz. Es soll Prostituierte besser schützen sowie zugleich Bordellbetreiber und Zuhälter stärker kontrollieren. Was das für die praktische Arbeit in Augsburg bedeutet, hat die Stadt bereits erkennen müssen. Zusätzliche Stellen in der Verwaltung werden für die Aufgaben benötigt. Eine Stelle ist dem Gesundheitsamt zugeordnet, da hier zusätzliche medizinische Untersuchungen mit fachlicher Beratung angeordnet sind. Beim Bürgeramt werden zwei Stellen geschaffen, da regelmäßig Kontrollen der Bordelle notwendig sind. Zugleich müssen sich Prostituierte, so wünscht es das Gesetz, bei einer Stadt registrieren lassen.
Was sich auf dem Papier zumindest verständlich anhört, bringt in der Praxis enorme Probleme. Denn kaum eine der in Augsburg tätigen Prostituierten hat Deutsch als Muttersprache gelernt. Ein Großteil kommt aus osteuropäischen Staaten, wobei hier die Rumäninnen ganz vorne stehen. Ein Beispiel: In den ersten Tagen seit Gesetzesänderung waren zehn Prostituierte freiwillig im Gesundheitsamt zur Beratung, neun davon kamen aus Rumänien. Nur weil eine Mitarbeiterin des Amtes rumänisch spricht, ist ein Austausch überhaupt möglich.
Dass es vor allem Frauen aus Rumänien ins Rotlichtmilieu verschlägt – vielfach gegen deren Willen oder aufgrund falscher Versprechungen – bestätigen die Vertreterinnen von Solwodi. Bei der Organi-
Prostitution als Gewerbe hat ihre Daseinsberechtigung, auch wenn dies nicht jedem gefällt. Ein Verbot der Prostitution ist illusorisch. Es gibt Frauen, die aus freien Stücken ihre Dienste anbieten. Es gibt Bordellbetreiber, die darauf bedacht sind, dass die Damen aus dem Gewerbe ein geordnetes und sicheres Umfeld haben. Doch dies sind Ausnahmen. Die Schattenseiten im Rotlichtmilieu überwiegen. Menschenhandel und Ausbeutung der Prostituierten sind die Spitze des Eisbergs, was den Straftatbestand anbelangt. Nicht zu vergessen ist das menschliche Leid vieler ausländischer Prostituierten, die sation ist eine Fachkraft tätig, die aus Rumänien stammt und daher als Ansprechpartnerin den Zugang zu den Frauen findet. 70 Prozent der Frauen, die von Solwodi in Gesprächen betreut wurden, stammen aus Rumänien. Es sind oftmals junge Frauen, die mit 18 Jahren aus verarmten Verhältnissen nach Deutschland gebracht wurden und hier in Bordellen und Laufhäusern tätig sind. „Diese Frauen fühlen sich gefangen, auch wenn sie nicht inhaftiert sind“, hieß es. In den Gesprächen werde deutlich, dass die Frauen oft keinerlei Perspektiven sehen. Der Griff zu Alkohol und Drogen sei nicht selten.
Was Solwodi ebenso entsetzt, sei der Druck, der auf die Frauen ausgeübt werde. Sämtliche Sexualpraktiken würden von Freiern verlangt, teils werde ganz bewusst auf ein Kondom verzichtet. Die Prosituierten hätten kaum eine Chance, sich zu wehren. Druck werde auch deshalb ausgeübt, so schildern es die Prostituierten, „weil Freier immer anspruchsvoller werden und mehr