Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gut gemacht, Augsburg!
Der Augsburger ist gerne kritisch und mäkelt an vielem herum. Dabei sollten die positiven Ereignisse nicht übersehen werden
Schublade fest, die ihn nicht gerade als charmantesten und aufgeschlossensten Zeitgenossen deklariert: von eigenbrötlerisch und grantig ist da oft die Rede.
Da kommen zwei Erlebnisse gerade zur rechten Zeit, die mir das Gegenteil bewiesen haben. Vergangene Woche nahm ich einen Brief mit umweltfreundlichem Briefumschlag aus dem Briefkasten – dass es sich um einen amtlichen Brief handeln musste, erkannte ich sofort. „Du liebe Güte, was will nur die Stadt von mir?“, dachte ich mir. Ich wusste zwar nicht, um was es sich handeln könnte, aber ich rechnete automatisch mit etwas Schlimmem. Falsch gedacht. Die Stadt wollte mich höflich darauf hinweisen, was ich seit Monaten erfolgreich verdrängt hatte: dass mein Pass in wenigen Wochen ablaufen würde. Auf einen Blick erfuhr ich die Öffnungszeiten der Bürgerbüros, die Möglichkeit der Online-Reservierung eines Termins und die Unterlagen, die ich zu einer Neuausstellung benötige. Servicewüste Deutschland – zumindest im Augsburger Bürgeramt weit gefehlt. Erstmals reservierte ich im Internet einen Termin im Bürgerbüro an der Blauen Kappe, zu viele Stunden habe ich in meinem Leben in Wartezimmern verbracht, und Warten ist nicht gerade meine Leidenschaft. Aber auch hier: Während jene, die ohne Termin kamen, an diesem Vormittag mit einer durchschnittlichen Wartezeit laut Anzeige von 43,24 Minuten rechnen mussten, waren es bei mir gerade einmal fünf Minuten. Keine zehn Minuten später war alles erledigt. Gut gemacht, Augsburg!
Und auch der vermeintlich so wenig aufgeschlossene Augsburger zeigt sich in diesen Tagen sehr begeisterungsfähig: auf der Freilichtbühne. Da hätte selbst das Theater nicht mit so viel Mitmachlaune der Augsburger bei der Rocky-HorrorShow gerechnet. Doch bei einer Vorstellung sehe ich es mit eigenen Augen, wie mit Begeisterung mit der Wasserpistole gespritzt, Konfetti geworfen, mitgeklatscht und reingerufen wird. Spaßbremsen gibt es keine. Läuft bei dir, Augsburg! Manchmal muss man genauer hinsehen, um die schönen Erlebnisse nicht zu verpassen. Es lohnt sich.
40, ist hier aufgewachsen und weiß, dass der Augsburger besser ist als sein Ruf.
*** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichten aus dem Familienleben.