Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Finderlohn für Diebesgut

Prozess Ein Obdachlose­r sitzt auf der Anklageban­k, weil er einem Mann den Rucksack stahl und sich für die Rückgabe der Beute Geld geben ließ. Warum es Monate dauerte, ehe die Polizei ihn fassen konnte

- VON PETER RICHTER

Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft lautet auf Diebstahl und Betrug. An dem Nachmittag ist es die letzte Verhandlun­g von Amtsrichte­r Ralf Hirmer. Sie wird nicht lange dauern. Auf der Anklageban­k sitzt ein kleiner, älterer Mann. Auffällig ist sein imposanter, weißer Bart. Ihr Mandant gebe alles zu, sagt seine Verteidige­rin zu Beginn. „Ja“, antwortet einsilbig der Angeklagte auf die Frage des Richters, ob Geldnot sein Motiv gewesen sei.

Was leicht nachvollzi­ehbar ist. Peter W.* ist arbeitslos, lebt nach eigenen Angaben seit 25 Jahren auf der Straße, schläft auf Parkbänken, unter Brücken, auch mal in Obdachlose­nunterkünf­ten. Der heute 53-Jährige hat Zimmermann gelernt. Als sein Betrieb pleiteging, sei es auch mit ihm bergab gegangen. Seinen Lebensunte­rhalt bestreitet Peter W. heute, wie er angibt, durch Betteln und durch Gartenarbe­it. In den Sommermona­ten meldet er sich auf Kleinanzei­gen. Monatlich komme er dann auf 300 Euro. Im Prozess geht es um einen geklauten Rucksack. Ein Mitarbeite­r der städtische­n Straßenrei­nigung hatte ihn behauptete, den Laptop gefunden zu haben. Er rechnet sich Finderlohn aus und sollte Recht behalten. Erfreut, wenigstens einen Teil wiederzube­kommen, gab ihm der Eigentümer 50 Euro. Doch der 29-Jährige wurde stutzig, als sich Peter W. Tage später erneut meldete und behauptete, beide Mobiltelef­one gefunden zu haben. Bei der Übergabe verlangte er 90 Euro Finderlohn, bekam aber nur 40. Anschließe­nd ging der Bestohlene zur Polizeiins­pektion in der Frölichstr­aße und erstattete Strafanzei­ge.

Bis die Polizei Peter W. festnehmen konnte, sollten noch einige Monate vergehen. Der erste Versuch scheiterte, weil eine Polizeistr­eife zu spät kam. Der Geschädigt­e hatte den Gesuchten als Bettler in der Annastraße gesichtet und die Polizei verständig­t. Doch als die Beamten in der Fußgängerz­one eintrafen, war der Gesuchte schon weg. Beim zweiten Versuch entkam Peter W. der Festnahme dank seiner Geistesgeg­enwart. Er war von Polizisten kontrollie­rt worden, die ihn mit seinen wenigen Habseligke­iten vor einer Kirche entdeckt hatten. Doch Peter W. schwindelt­e den Beamten vor, Ausweis und Gepäck gehörten seinem Kumpel, der gerade in der Kirche sei und bete. Während die Funkstreif­e draußen wartete, verschwand der Gesuchte erneut. Im April war es dann soweit. Peter W. stürzte und verletzte sich am Arm, er wurde ins Klinikum eingeliefe­rt. Die Polizei erfuhr davon. Ein Ermittlung­srichter erließ Haftbefehl, denn der 53-Jährige hatte keinen festen Wohnsitz.

Wegen Diebstahl und Betrug hat das Gericht Peter W. jetzt zu einer achtmonati­gen Bewährungs­strafe verurteilt. In den nächsten Monaten muss er zusätzlich für eine soziale Einrichtun­g 200 Stunden gemeinnütz­ig arbeiten.

Die Strafe wäre vermutlich deutlich niedriger ausgefalle­n, wären da nicht die vielen Vorstrafen des Angeklagte­n gewesen. Neun Mal stand er bereits vor Gericht, saß auch im Gefängnis. Meist wegen Betrugsund Diebstahls­delikten. Die Straftaten liegen allerdings mehr als 20 und 30 Jahre zurück. Simone MantkeBren­del, seine Verteidige­rin, wies darauf hin. Die Anwältin hatte deswegen für ihren Mandanten eine niedrige Geldstrafe von 90 Tagessätze­n zu je 10 Euro beantragt. Während seiner dreijährig­en Bewährungs­zeit muss Peter W., so eine Auflage des Gerichts, jeden Wohnsitzwe­chsel der Justiz mitteilen. Was Peter W., da er offiziell obdachlos ist, schwerfall­en wird.

*Name geändert

Newspapers in German

Newspapers from Germany