Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Meerschweinchen-Drama
Wie schwierig das mit Kindern und Haustieren sein kann. Und warum Eltern bei dem Thema in der Gefühlsfalle sitzen
Tierklinik war ein Desaster. Es verbietet sich zwar von selbst, Vergleiche zwischen Tieren und Menschen zu ziehen. Doch die Entscheidung, ob und wie es mit den Tierchen weitergeht, berührt das Gewissen. Und auch ein wenig den Geldbeutel. Das Angebot, die sterbenden Nager für 200 Euro pro Tier stationär aufzunehmen, wurde verworfen. Es hätte eh nichts gebracht. Wahrscheinlich.
Aber eines kann ich Ihnen sagen, den Daumen zu heben oder zu senken, wenn weinende Kinder am Rockzipfel hängen, das ist kein Spaß. Und wenn die Tochter abends eine Stunde lang schluchzt „Mein Karli ist tot“, dann treibt einem das heftig die Tränen in die Augen.
Jetzt, wie geht es weiter? All die grundsätzlichen Fragen über Kinder und Haustiere, die seinerzeit beantwortet worden waren, tauchen wieder auf. 1. Brauchen wir überhaupt (ein) HausKinder tier(e)? 2. Welches Tier kommt infrage? 3. Wer kümmert sich um das Viech? 4. Wer kümmert sich um das Viech, wenn wir nicht zu Hause sind?
Sie kennen vielleicht all die Diskussionen und Konflikte. Und Sie wissen vielleicht auch, wie diese Diskussionen in 99 Prozent der Fälle ausgehen. Die Kinder kriegen ein oder mehrere Tiere. Und die Eltern kümmern sich. Und trotzdem schien es uns richtig zu sein. Denn Haustiere bedeuten: Verantwortung lernen, Respekt vor Lebewesen lernen, etwas über die Natur lernen und, ja auch, Verlust erleben. Vielleicht ist der Ansatz auch ein wenig zu pädagogisch und die wollen nur ein lebendiges Knuddeltier haben. Ich bin da nicht ganz sicher. Die Frage, ob und wie rasch es einen Ersatz für die Meerschweinchen geben würde, war angesichts der trauernden Kinder recht schnell beantwortet: am nächsten Tag. Bei der Frage, welche Tiere, kam es zu skurrilen Szenen. Denn just wenige Tage vor dem Ableben der Meerschweinchen waren wir mit den Kindern auf einer Party, deren Gastgeber sich drei Hühner im Garten halten. Für die Tochter war damit sofort klar: Hühner sollten es sein. Eine Sechseinhalbjährige im Allgemeinen und unsere Tochter im Besonderen lässt sich ja schnell von einer Idee mitreißen. Und die Aussicht auf frische Eier befeuerte die Idee zusätzlich. Es bedurfte also umständlicher Dialektik, um die Idee loszuwerden. Zumal meine Gattin zwischenzeitlich selbst davon angetan war. Auch von einem Minischwein war mal die Rede. Es ist doch alles ein Wahnsinn!
Wir haben jetzt zwei süße Kaninchen, aber so einfach, wie es retrospektiv klingt, war es nicht. Im Zoofachhandel riet man uns, ein Pärchen zu nehmen. Taten wir. Umso größer war die Überraschung, als der Tierarzt tags darauf feststellte, dass es zwei Weibchen waren. Also Umtausch. Ein Tier. Ein Tier, das der Bub schnell lieb gewonnen hatte.
Wenn ich nun abends mit einem Glas Wein auf der Terrasse sitze, denke ich mir, diesen Irrsinn hätte man sich vielleicht sparen können. Wenn der Rest der Familie am Morgen sagt, sie will jetzt kleine Kaninchen-Babys züchten, sage ich: Meinetwegen.
46, hat eine Tochter, 6, und einen Sohn, 8. Und nun auch zwei Kaninchen.
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