Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum Schüler Ohrenschützer tragen
Bildung Lärm im Klassenzimmer ist schlecht für Konzentration und Gesundheit. In der Eichenwaldschule gibt es die Möglichkeit des Gehörschutzes. Die Kinder setzen ihn gerne mal auf
Bauarbeiten machen das Lernen an einer Grundschule aus dem schwäbischen Bellenberg fast unmöglich. Die Kinder sitzen jetzt mit Ohrenschützern im Klassenraum. Angeschafft wurden die Ohrenschützer, damit sich die Schüler wenigstens während Stillarbeiten gut konzentrieren können. Ein Großteil der Schüler will sie weiterverwenden. Bei Stillarbeiten würden die Kinder mittlerweile automatisch danach greifen, erklärt die Rektorin der Grundschule.
Auch die Schulen im Landkreis Augsburg haben mit dem Thema Lärm zu kämpfen. Es geht dabei aber nicht nur um Baulärm, sondern auch um den normalen Geräuschpegel des Schulalltages. Eines ist klar: Bei Lärm fällt es nicht nur Kindern schwer, konzentriert zu arbeiten. Für Schulen kann das schnell zum Problem werden. Dr. Irmela Bischoff, die Konrektorin der GoetheGrundschule in Gersthofen, weiß: „Kinder können sich bei Lärm kaum mehr konzentrieren.“
Die Idee, Ohrenschützer im Klassenzimmer einzuführen, hält Irmela Bischoff für einen letzten Ausweg. Allgemein sollten Schulen Ruhezonen sein. Es gäbe Studien, die belegen, dass ein ruhiges Umfeld sich sehr positiv auf das Lernen der Kinder auswirkt. Im Verein „Lernenstatt-Lärmen“beschäftige sich eine Gruppe engagierter Fachleute schon länger mit dem Thema. Auf seiner Internetseite kritisiert der Verein, dass die Bemühungen der Lehrer und der Arbeitswillen der Schüler immer wieder „durch laute, hellhörige und raumakustisch unzureichende Bildungseinrichtungen torpediert werden“.
Auch Bischoff kennt das Problem. Zwar habe die GoetheGrundschule einige nachträgliche Lärmdämmungen vorgenommen, allerdings könnten bei der Akustik Umbauten nie mit der Qualität eines Neubaus mithalten, sagt sie. Wo „alte Gebäude, volle Klassenzimmer und Baulärm zusammenkommen“, sei Lernen trotz allem schwer, so Bischoff. „Da sind Ohrenschützer vielleicht die einzige Möglichkeit“, sagt sie.
Das Problem mit alten Räumen und schlechter Schalldämmung kennt auch Jutta Gasteiger, die Rektorin der Eichenwaldschule in Neusäß. Allerdings wurde beim letzten Umbau der Grundschule verstärkt auf die Schalldämmung geachtet. „Ein Segen“, betont die Rektorin, ansonsten wäre der Lärm in den Klassenzimmern und auf den Gängen „für Lehrer und Schüler krankmachend“.
Für Gasteiger sind Ohrenschützer im Klassenzimmer nichts Außergewöhnliches. In jedem Zimmer hängen einige Paare. Das habe nichts mit Baulärm zu tun, betont die Rektorin. Der Grund ist das Unterrichtskonzept der Schule. Die Schüler arbeiten viel eigenverantwortlich, oftmals in Teams, hin und wieder aber auch in Stillarbeit. Einige Schüler bräuchten den Gehörschutz, um sich auf eine Aufgabe konzentrieren zu können, während nebenan eine Gruppe arbeitet, so Gasteiger. Das sei besonders wichtig, da „wir auch immer mehr Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen auf der Schule haben“, sagt sie.
Renate Haase-Heinfeldner, die fachliche Leiterin beim Schulamt Augsburg-Land, sieht das genauso. Auch sie kann sich einen Gehör- schutz im Klassenzimmer gut vorstellen, allerdings nur in bestimmten Situationen und nach Rücksprache mit den Eltern. Um zum Beispiel Baulärm und andere Störgeräusche während des Unterrichts auszublenden, könnten Ohrenschützer nützlich sein. Ihr Einsatz sollte allerdings auf Stillarbeitsphasen beschränkt sein. „Die Schule lebt von Kommunikation und Austausch“, betont Haase-Heinfeldner, „wir wollen keine isolierten Kinder.“
Außerdem könnte ein Gehörschutz Kindern helfen, die an einer bestimmten Art des Autismus oder an einer Aufmerksamkeitsstörung leiden. Sie täten sich schwer damit, Störgeräusche auszublenden und liessen sich schnell ablenken, so die fachliche Leiterin des Schulamts.
Alles in allem sieht Renate HaaseHeinfeldner das Potenzial von Ohrenschützern im Unterricht. Auch, da immer mehr Lehrer die kurzen Aufmerksamkeitsspannen der Kinder beklagen würden. „Aus unserer schnelllebigen Zeit entstehen neue Herausforderungen, denen Lehrkräfte mit Ritualen und Methodik begegnen sollten“, sagt sie. Ohrschützer seien eine gute Möglichkeit, dem entgegenzuarbeiten und die Schüler zum konzentrierten Arbeiten zu führen, so Haase-Heinfeldner.