Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Meine lieben Marotten
Komisch ist es schon, wenn man sich selber einschränkt. Durch meine Behinderung habe ich es eh nicht leicht, und noch dazu bin ich oft dabei, mir selber Stolpersteine zu legen. Wie lassen sich folgende Situationen bitte erklären: Wenn ich mich unsicher fühle, brauche ich ein Pflaster auf meiner Hand. Wenn ich jemanden mag, stürze ich mich wie eine Piratenbraut auf ihn und wundere mich dann, dass man mich wegschiebt. Vom Pflaster sind alle genervt, weil sich so meine Hand nicht mehr waschen lässt. Wenn ich mitten in der Nacht aufstehe, um mir ein Pflaster zu holen, hindert mich jemand daran. Dann werde ich sauer.
Kennt Ihr das nicht auch? Ihr verrennt euch in etwas und könnt es dann nicht mehr loslassen. Außerdem müsste ich ja dann eingestehen, dass etwas falsch läuft – und allein das fällt mir schon schwer genug. Auf jeden Fall hänge ich so sehr an meiner Freiheit, dass ich gerade dabei bin, meine selbst errichteten Gefängnismauern abzureißen. Es ist nun mal so, dass, wenn eine Mauer mal gebaut ist, man nicht mehr auf sie verzichten möchte. Sie umschließt die eigene Seele, um diese zu schützen. Nur leider übertreibt sie damit: Plötzlich wird aus Schutz eine Hürde.
Habt ihr auch solche Hürden? Ich verstehe alle Menschen gut, die zwanghaft reagieren. Sie versuchen über sinnlose Handlungen ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Dabei wird das Zwanghafte immer stärker, weil die Ursache der Gefühlswallung nicht gelöst wird. Ihr könnt mit Familie und Freunde darüber reden. Ich dagegen brauche einen ausgebildeten Stützer. Dabei fällt mir auf, dass ich jede Menge tolle Leute um mich herum habe. Hat also auch Vorteile, nicht ganz gesellschaftskonform zu sein. Gerne würde ich erfahren, womit ihr zu kämpfen habt – dann fühle ich mich nicht so alleine. Sagt Bescheid! O
ist 23 Jahre alt und von Geburt an schwerbehindert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht spre chen, sondern nur Laute von sich ge ben. In unserer Kolumne schreibt Franzis ka über ihren Alltag mit Behinderung. Wer mehr über sie erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziska ottlik.wordpress.com.