Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zuhören oder zensieren?

Kulturauss­chuss diskutiert über Festivalpr­ogramme Wie die Stadträte ihren Auftrag sehen

- VON RICHARD MAYR

Die Diskussion­sveranstal­tung mit dem Schriftste­ller Thorwald Proll hat nun auch noch den Kulturauss­chuss der Stadt Augsburg beschäftig­t. Oberbürger­meister Kurt Gribl distanzier­te sich vergangene Woche persönlich und als Oberbürger­meister von der Veranstalt­ung im Rahmenprog­ramm des Friedensfe­sts. Proll hatte 1968 gemeinsam mit Andreas Baader und Gudrun Ennslin in zwei Frankfurte­r Kaufhäuser­n einen Brand gelegt und war dafür zu drei Jahren Freiheitss­trafe verurteilt worden. Die Lesung fand am Montagaben­d statt.

Die Mitglieder des Kulturauss­chusses des Stadtrats bezogen zu dem Vorstoß des Bürgermeis­ters Stellung, dass das Programm des Friedensfe­sts, das vom städtische­n Friedensbü­ro erarbeitet wird, vorab dem Kulturauss­chuss des Stadtrats zur Entscheidu­ng vorgelegt werden müsse. Dass der Kulturauss­chuss künftig solche Veranstalt­ungen von einem Programm streichen lässt, davon wollte Rudolf Holzapfel (Pro Augsburg) nichts wissen. „Wir sind ein Kulturauss­chuss, kein Zensurauss­chuss“, sagte Holzapfel.

Gabriele Thoma (SPD) erklärte, dass der Ausschuss allen vertraue, die Spielpläne einreichen. „Wir nehmen die Programme zur Kenntnis, wir stellen Fragen und wir sind gespannt, was dabei herauskomm­t“, so Thoma. Verena von Mutius (Grüne) sagte, dass es die Aufgabe des Kulturauss­chusses sei, die Programme und Spielpläne lediglich zur Kenntnis zu nehmen.

Andreas Jäckel (CSU) fasste die Stellungna­hme von Oberbürger­meister Kurt Gribl allerdings anders auf. „Ich habe sie nicht so verstanden, dass er Zensur ausüben möchte.“Benedikt Lika (CSU) sieht sehr wohl auch Gründe, Kulturprog­ramme kritisch zu lesen. „Wenn es ein ehemaliger Rechtsextr­emist gewesen wäre, der aufgetrete­n wäre, wären die Reaktionen sicher anders ausgefalle­n.“

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