Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zuhören oder zensieren?
Kulturausschuss diskutiert über Festivalprogramme Wie die Stadträte ihren Auftrag sehen
Die Diskussionsveranstaltung mit dem Schriftsteller Thorwald Proll hat nun auch noch den Kulturausschuss der Stadt Augsburg beschäftigt. Oberbürgermeister Kurt Gribl distanzierte sich vergangene Woche persönlich und als Oberbürgermeister von der Veranstaltung im Rahmenprogramm des Friedensfests. Proll hatte 1968 gemeinsam mit Andreas Baader und Gudrun Ennslin in zwei Frankfurter Kaufhäusern einen Brand gelegt und war dafür zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Lesung fand am Montagabend statt.
Die Mitglieder des Kulturausschusses des Stadtrats bezogen zu dem Vorstoß des Bürgermeisters Stellung, dass das Programm des Friedensfests, das vom städtischen Friedensbüro erarbeitet wird, vorab dem Kulturausschuss des Stadtrats zur Entscheidung vorgelegt werden müsse. Dass der Kulturausschuss künftig solche Veranstaltungen von einem Programm streichen lässt, davon wollte Rudolf Holzapfel (Pro Augsburg) nichts wissen. „Wir sind ein Kulturausschuss, kein Zensurausschuss“, sagte Holzapfel.
Gabriele Thoma (SPD) erklärte, dass der Ausschuss allen vertraue, die Spielpläne einreichen. „Wir nehmen die Programme zur Kenntnis, wir stellen Fragen und wir sind gespannt, was dabei herauskommt“, so Thoma. Verena von Mutius (Grüne) sagte, dass es die Aufgabe des Kulturausschusses sei, die Programme und Spielpläne lediglich zur Kenntnis zu nehmen.
Andreas Jäckel (CSU) fasste die Stellungnahme von Oberbürgermeister Kurt Gribl allerdings anders auf. „Ich habe sie nicht so verstanden, dass er Zensur ausüben möchte.“Benedikt Lika (CSU) sieht sehr wohl auch Gründe, Kulturprogramme kritisch zu lesen. „Wenn es ein ehemaliger Rechtsextremist gewesen wäre, der aufgetreten wäre, wären die Reaktionen sicher anders ausgefallen.“