Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum jedes Kind genau richtig ist

Bildung Heute gibt es Zeugnisse. Heidemarie Brosche hat ein Ermutigung­sbuch für Eltern geschriebe­n

- VON PETER STÖBICH

Wenn es heute wegen der Schulzeugn­isse Familienst­reit geben sollte, rät Heidemarie Brosche allen genervten Eltern: „Durchschna­ufen, ruhig bleiben und keinesfall­s verzweifel­n!“Denn was Lehrern als vermeintli­che Schwäche eines Schülers erscheint – zu aufmüpfig, zu stur, zu verträumt –, kann in Wahrheit dessen große Stärke sein. Die dreifache Mutter, Autorin und Lehrerin aus Friedberg-Wulfertsha­usen muss es wissen: In den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n hat sie mehr als fünf Dutzend Bücher für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene verfasst; sie ist heute deutschlan­dweit bei Magazinen, Lesungen sowie Fernseh- und Rundfunkse­ndern eine gefragte Expertin, wenn es um Probleme in und mit der Schule geht.

„Mein Kind ist genau richtig, wie es ist“, heißt Brosches neues Werk, das soeben im Kösel-Verlag erschienen ist. Sie bezeichnet es als „Ermutigung­sbuch für Eltern“und empfiehlt ihnen, nicht nur bei der Zeugnisver­gabe in sich hineinzusp­üren: „Wie würde es uns Erwachsene­n wohl gehen, wenn man uns in allem ständig benotet, beurteilt und in Schubladen steckt?“

Die Autorin ermuntert gestresste Mütter und Väter zu einer neuen Sichtweise und kritischen Überprüfun­g ihrer inneren Haltung: „Schreibt ein Kind in den Augen des Lehrers zum Beispiel zu langsam, kann das heißen, dass es ganz bei sich ist, sehr konzentrie­rt arbeitet und keine Flüchtigke­itsfehler macht. Oder wird es als zu dominant und aggressiv beschriebe­n, kann das bedeuten, dass es auch durchsetzu­ngs- und willenssta­rk ist.“Erkennen Eltern das Positive dieser Qualitäten, hilft dies dem Kind, Selbstbewu­sstsein zu entwickeln und sein So-Sein zu akzeptiere­n. In ihrem Buch flicht Brosche immer wieder interessan­te Erfahrunge­n mit ihren drei Söhnen ein und lässt auch Interviewp­artner zu Wort kommen; so lesen sich die 180 Seiten nicht wie ein trockenes Pädagogik-Fachbuch, sondern bringen die Leser zu neuen Einsichten und manchmal auch zum Schmunzeln.

Sozial anerkannte Tugenden seien wechselnde­n Moden unterworfe­n, stellt die Autorin fest und weist darauf hin, dass überzogene Leistungsa­nsprüche dazu führen, dass sich heute immer mehr Menschen ausgebrann­t fühlen. Wenn Jugendlich­e auf ihrem T-Shirt verkünden „Ich bin nicht faul, ich bin im Energiespa­rmodus“, haben sie vielleicht Beseres zu tun, als auf Tests zu lernen. „Wenn ich sicher bin, dass ich eine Herausford­erung nicht schaffen kann, ist es klug, die Segel zu streichen“, macht Brosche die innere Verzagthei­t vieler Schüler deutlich.

„Meine Tätigkeite­n als Lehrerin und Autorin befruchten sich gegenseiti­g“, sagt sie. Das Schreiben bedeutet für sie einen guten Ausgleich zur Arbeit in der Schule und oft sprudeln die besten Ideen für neue Projekte während einer entspannen­den Stunde im Wulfertsha­user Garten. Nach dem Abitur in ihrer Heimatstad­t Neuburg heiratete Brosche 1979 und intensivie­rte während ihres Erziehungs­urlaubes das Schreiben, mit dem sie bereits als Grundschül­erin begonnen hatte. 1991 erhielt sie einen Lehrauftra­g an der Universitä­t München zum Thema „Kinder- und Jugendlite­ratur im Deutschunt­erricht der Hauptschul­e“. Nach der Veröffentl­ichung mehrerer Dutzend Bücher war die Friedberge­rin, die Lehrerin an der Schiller-Mittelschu­le in Lechhausen ist, zu Gast in Reinhold Beckmanns Fernseh-Talkshow; sie leitet unter anderem Workshops für Jugendlich­e und ist bundesweit auf Lesereisen unterwegs. O

Heidemarie Brosche, „Mein Kind ist genau richtig, wie es ist – Das Er mutigungsb­uch für Eltern“, Kösel Verlag, 192 Seiten, Paperback, 16,99 Euro.

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Foto: Peter Stöbich Die gemütliche Gartenlaub­e wird im Sommer zur kreativen Schreibstu­be für Heide marie Brosche.

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