Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Psychische Erkrankungen und ihre Folgen
Stress erkennen und abbauen, Auszeiten nehmen, einen Psychologen aufsu chen – das alles ist heute salonfähiger denn je. Nie zuvor wurde in Deutsch land so offen über seelische Leiden ge sprochen wie seit ein paar Jahren. Schnell entsteht dadurch aber der Ein druck, immer mehr Menschen seien psychisch krank. Doch stimmt das? ● Risiko Das Risiko für Frauen, im Lau fe ihres Lebens psychisch zu erkran ken, liegt bei 40 Prozent, bei Männern bei etwa 30 Prozent. Das geht aus Studien des Bundesamtes für Statistik und aus der Gesundheitsberichter stattung des Bundes hervor. ● Häufigste Krankheiten Depressive Erkrankungen, Alkohol und Angst störungen zählen laut einer Studie des Robert Koch Instituts zu den häufigs ten psychischen Erkrankungen. 16 Pro zent der Bevölkerung sind innerhalb eines Jahres von Angststörungen betrof fen. Mit einer Zwölf Monats Präva lenz von etwa vier Prozent treten Zwangsstörungen auf, gefolgt von bi polaren und psychotischen Störungen. Dahinter liegen posttraumatische Be lastungsstörungen (2,4 Prozent), Medi kamentenmissbrauch (1,5 Prozent) sowie Magersucht (0,7 Prozent). ● Arbeitsunfähigkeit Daten der ge setzlichen Krankenkassen zeigen, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen in den vergangenen Jahren deutlich gestie gen ist: von 33,6 Millionen im Jahr 2001 auf rund 82 Millionen 2013. Wäh rend psychische Erkrankungen vor 20 Jahren noch quasi bedeutungslos waren, sind sie laut DAK heute zweithäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibung. ● Krankheitsdauer Die durchschnittli che Dauer psychisch bedingter Krank heitsfälle ist mit 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen mit zwölf Tagen. ● Frühberentung Psychische Erkran kungen sind die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Frühberentungen. Zwischen 1993 und 2015 stieg laut Deutscher Rentenversicherung der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 15,4 auf 42,9 Prozent. ● Folgen für die Volkswirtschaft Allein die direkten Krankheitskosten für psychische Erkrankungen betragen knapp 16 Milliarden Euro pro Jahr, wie Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen. Laut Berechnungen könnten sie bis 2030 auf rund 32 Milliarden Euro anwachsen. ● Gründe Dass wir im Arbeitsalltag immer größerem Stress ausgesetzt sind, sehen Experten als einen wichtigen Auslöser für psychische Erkrankun gen. Aber auch die größere Sensibilität spielt eine Rolle: Denn früher wurden häufig nicht die psychischen Erkrankun gen diagnostiziert, sondern erst die körperlichen Spätfolgen, wie Herz Kreis lauf Erkrankungen, Magengeschwüre oder Migräne. (sli)