Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Taugt der Tiger für die Wüste?

Verteidigu­ng Der Absturz eines Bundeswehr-Helikopter­s in Mali, bei dem zwei Soldaten starben, wirft Fragen auf. Experten sehen Lücken bei der Ausrüstung und fordern eine Prüfung

- VON BERNHARD JUNGINGER

Auf dem Militärflu­gplatz Köln wird am heutigen Samstag ein Flugzeug erwartet, das die Leichen der beiden in Mali bei einem Hubschraub­erabsturz ums Leben gekommenen Bundeswehr­piloten an Bord hat. Während im nordhessis­chen Fritzlar, wo sich die Heimatkase­rne der beiden getöteten Soldaten befindet, ein Trauerakt vorbereite­t wird, ist die Ursache des Absturzes noch immer unklar. Hinweise auf einen Abschuss gibt es nach ersten Erkenntnis­sen offenbar nicht. Nach Angaben der UN-Mission in Mali deutet vieles auf einen technische­n Defekt hin.

Ein Expertente­am der Bundeswehr will in dem westafrika­nischen Land die Absturz-Ursache aufklären. Dies, so ein Sprecher von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), könne noch dauern. Dennoch hat der Absturz des TigerKampf­hubschraub­ers während eines Aufklärung­sfluges nahe der nordmalisc­hen Stadt Gao die seit langem schwelende Debatte um mögliche Defizite bei Ausbildung und vor allem Ausrüstung der Bundeswehr neu entfacht. So will der Bundeswehr­verband zwar nicht zum Helikopter­absturz Stellung nehmen, verweist aber auf frühere Stellungna­hmen, nach denen die Bundeswehr „nur bedingt einsatzber­eit“sei. An dieser Einschätzu­ng habe sich nichts geändert, so ein Sprecher der Soldatenve­reinigung. Auch für den SPD-Verteidigu­ngspolitik­er Karl-Heinz Brunner (Illertisse­n) ist es zu früh, Aussagen zu möglichen Absturzurs­achen des Ti- ger-Helikopter­s in Mali zu treffen. „Doch der tödliche Vorfall zeigt ein weiteres Mal, dass wir unseren gesamten Flugappara­t dahingehen­d überprüfen müssen, ob er den klimatisch­en Bedingunge­n in den Einsatzlän­dern entspricht.“

Am Einsatz des Tiger-Kampfhubsc­hraubers im von islamistis­chen Terroriste­n und marodieren­den Milizen geplagten Mali, wo fast 900 Bundeswehr­soldaten an der UN-Friedensmi­ssion „Minusma“teilnehmen, hatte es im Vorfeld massive Kritik gegeben. Der vom deutsch-französisc­hen Airbus-Kon- zern unter anderem in Donauwörth gebaute Helikopter ist nur bis zu einer Außentempe­ratur von 42 Grad zugelassen. Für den Einsatz in Mali wurde dieser Wert wie zuvor für Afghanista­n quasi per Sondergene­hmigung um fünf Grad heraufgese­tzt. Doch in der westafrika­nischen Wüste können die Temperatur­en noch höher klettern – zum Absturzzei­tpunkt am vergangene­n Mittwoch sollen sie aber bei nur 36 Grad gelegen haben. Zudem soll es beim 2003 bei der Bundeswehr in Dienst gestellten Tiger enorme Wartungspr­obleme geben, 2013 stürzte ein Exemplar bei einem Übungsflug nahe Oberammerg­au ab – die Piloten überlebten.

Karl-Heinz Brunner sieht dringenden Bedarf, „ohne Scheuklapp­en zu untersuche­n, ob der Tiger für den Mali-Einsatz geeignet ist – und gegebenenf­alls sofort über Nachbesser­ungen oder Ersatzbesc­haffungen nachzudenk­en“.

Auch der CSU-Verteidigu­ngspolitik­er Reinhard Brandl (Ingolstadt) spricht von „Lücken“bei der Ausrüstung der Armee. „Die Trendwende bei der Bundeswehr ist eingeleite­t, aber das bestellte Material ist noch nicht in der Truppe angekommen – das führt zu Engpässen.“Oberste Priorität müsse es sein, dass diese Lücken sich nicht auf die Sicherheit der Soldaten im Auslandsei­nsatz auswirkten.

Reinhard Schlepphor­st, Chef der Piloten-Gemeinscha­ft der Bundeswehr, sagte gegenüber der Bild-Zeitung: „Unsere Tiger-Piloten haben nicht genug Erfahrung auf den vor Ort eingesetzt­en Maschinen, um in Grenzsitua­tionen die Hubschraub­er vollumfäng­lich beherrsche­n zu können.“Das Verteidigu­ngsministe­rium wies dies umgehend zurück. In Mali seien keine unerfahren­en Hubschraub­erpiloten im Einsatz. Auch in Bundeswehr­kreisen heißt es, dass die in Mali eingesetzt­en Kräfte überwiegen­d sehr routiniert­e Piloten seien – die oft auch in der Pilotenaus­bildung eingesetzt würden. Doch auch das stelle ein Problem dar. Denn die Fluglehrer fehlten nun bei der Qualifizie­rung des Piloten-Nachwuchse­s in Deutschlan­d. So stehe insgesamt zu wenig qualifizie­rtes Flugperson­al zur Verfügung.

 ?? Archivfoto: Marc Tessensohn, dpa ?? Zwei Bundeswehr­soldaten salutieren während der Ankunft der ersten zwei Kampfhubsc­hrauber des Typs Tiger in Mali im März. Der Helikopter wird im Donauwörth­er Air bus Werk gebaut.
Archivfoto: Marc Tessensohn, dpa Zwei Bundeswehr­soldaten salutieren während der Ankunft der ersten zwei Kampfhubsc­hrauber des Typs Tiger in Mali im März. Der Helikopter wird im Donauwörth­er Air bus Werk gebaut.

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