Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn die Heizung sich von selbst meldet
Projekt Die Digitalisierung soll Handwerkern Zeit und Kunden Geld sparen. In einer deutschlandweit einmaligen Mischung aus Praxis und Forschung wird das in Augsburg getestet. Der Freistaat zahlt dafür 1,55 Millionen Euro
Eine E-Mail ploppt im Posteingang auf: Die Umwälzpumpe der Heizung schwächelt. Die Warnung bekommen Vermieter, Mieter und der Handwerker, der die Heizung eingebaut hat. So zum Beispiel könnte digitalisiertes Handwerk aussehen. In der Praxis wird ein Augsburger Sanitärbetrieb solche Prozesse ausprobieren, parallel forscht das Augsburger Institut „Fraunhofer IGCV“, wie sich die Digitalisierung auf das Handwerk übertragen lässt. „Wir wollen eine Art Baukasten zur Verfügung stellen, aus dem sich jeder Handwerker bedienen kann“, sagt Gunther Reinhart, der Leiter des Instituts. Es ist ein Pilotprojekt der besonderen Art, das erste in ganz Deutschland.
Der Freistaat Bayern fördert das Vorhaben mit 1,55 Millionen Euro. Das Projekt läuft drei Jahre. Die Handwerkskammer für Schwaben steuert 175 000 Euro zusätzlich bei. Die Projektpartner, Fraunhofer und die Handwerkskammer für Unterfranken, zahlen ebenfalls mit. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner überreichte den Partnern am Freitag in Augsburg die Förderbescheide. Mit dem Projekt werde aus digitalem Wissen digitales Können, sagte sie.
Ab 1. August fließt das Fördergeld. Der Sanitärbetrieb Erich sierung weiß der Handwerker bereits, welche Teile er auf Lager hat und welche er bestellen muss. Wenn der Monteur den Kunden besucht, hat er bereits alle notwendigen Teile dabei. Doppelte Wege fallen weg, der Handwerker spart Zeit. Das lohnt sich auch für den Kunden, der beispielsweise weniger Arbeitsstunden bezahlen muss. Für Schulz ist klar: „Wenn der Kunde keinen Nutzen hat, wird er nicht bereit sein, Geld dafür auszugeben.“Den Auftrag vergibt auch im digitalisierten System der Verbraucher. „Es entscheidet immer noch der Kunde, was gemacht wird und von welchem Unternehmen“, sagt Hans-Peter Rauch, Präsident der schwäbischen Projektpartner sollen sich in drei Jahren Erkenntnisse ableiten lassen, die Betrieben aller Gewerke helfen können. Die Handwerkskammer für Schwaben sieht in der Logistik im Bau und im 3D-Druck weiteres Potenzial. Unternehmer Schulz erwartet sich von der Neuerung eine höhere Produktivität – allerdings wahrscheinlich nicht innerhalb der Projektlaufzeit. Mittelfristig werde sich der Einsatz lohnen, glaubt er. Dass die Handwerkskammer Schwaben seinen Betrieb für das Pilotprojekt ausgewählt hat, liegt unter anderem an der Größe: Schulz hat mehr als 70 Mitarbeiter. Für kleinere Firmen wäre der Aufwand wohl nicht zu stemmen.
Den Verantwortlichen der Kammer war auch wichtig, ein Gewerk auszuwählen, das direkten Kontakt zu den Verbrauchern hat. Und schließlich attestiert Ulrich Wagner von der Handwerkskammer für Schwaben Unternehmer Schulz eine Nähe zur Digitalisierung. In einem weiteren Schritt will die Kammer die Aus- und Weiterbildung anpassen, damit die Mitarbeiter der Betriebe auf die digitalisierten Arbeitsprozesse vorbereitet werden.