Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenig Geld und trotzdem Urlaub

Zuschuss Wie sich auch weniger begüterte Familien erholen können. Wo es Unterstütz­ung gibt. Und wenn Ferien finanziell doch nicht möglich sind, ist Ehrlichkei­t gegenüber Kindern wichtig

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Als eine Mutter in einem Internetfo­rum um Rat fragte, hatte sie sich günstige Reisetipps erwartet. Eine Woche lang wollte sie mit ihrer Familie wegfahren, Geld gab es allerdings kaum. Statt der erhofften Tipps bekam die Frau erst einmal eine Standpauke. „Ein Urlaub für vier Personen kostet nun mal Geld“, schrieb ihr eine Forumsnutz­erin, und dass man besser zu Hause bleiben solle, wenn die Kasse leer sei.

Solche Reaktionen kennt auch Claudia Keul vom Deutschen Kinderhilf­swerk. Sie kümmert sich bei der Organisati­on um geförderte Ferienfahr­ten für bedürftige Kinder. Wie viele mitfahren können, hängt davon ab, wie viele Spenden es gibt. Meistens kann das Kinderhilf­swerk im Sommer zwischen 100 und 300 Kinder in die Ferien schicken, und meistens kommen die Spenden von Unternehme­n. „Privatpers­onen sind oft der Meinung, dass es Wichtigere­s gebe als Urlaub“, sagt Keul.

Dabei ist die eine Woche im Jahr, die Kinder mit dem Geld des Hilfswerks in die Ferien fahren können, alles andere als Luxus. „Die Kinder müssen sich auch einmal erholen“, sagt Keul. Das gilt ihren Worten nach erst recht, wenn sie in schwierige­n Verhältnis­sen aufwachsen und zu Hause ständig die Sorgen der Eltern mitbekomme­n. Und gerade die Älteren aus Familien mit vielen Kindern hätten kaum Zeit für sich. „Die müssen das ganze Jahr mithelfen und auf die jüngeren Geschwiste­r aufpassen“, sagt Keul. „Für sie ist das die einzige Zeit im Jahr, in der sie sich erholen können.“

Bedürftige Familien können die geförderte­n Reisen für ihre Kinder nicht selbst beim Kinderhilf­swerk beantragen. Das Geld, meistens zwischen 100 und 150 Euro pro Kind, bekommen Vereine, die sich darum bewerben. „Welcher Verein in der Region solche Ferienfahr­ten organisier­t, wissen die Jugendämte­r am besten“, erläutert Keul. Mitfahren können nicht nur Kinder von Eltern, die von Hartz IV leben. Neben Alleinerzi­ehenden werden Keul zufolge auch Eltern unterstütz­t, die besonders viele Kinder haben.

Neben den Ferienfahr­ten des Kinderhilf­swerks gibt es in Deutschlan­d rund 90 gemeinnütz­ige Familienfe­rienstätte­n, die erschwingl­ichen Urlaub für die ganze Familie anbieten. Die Feriencamp­s werden beispielsw­eise von Kirchen und Sozialverb­änden gefördert und bieten je nach Lage und Ausstattun­g verschiede­ne Freizeitak­tivitäten an.

Familien können sich in den Ferienstät­ten selbst versorgen, es gibt aber auch Modelle mit Halb- oder Vollpensio­nen. Die Preise sind niedrig – und besonders Bedürftige können außerdem staatliche Zuschüsse beantragen.

Wer das Geld bekommt und wie viel, ist von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich. Familien können sich auf der Website der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Familiener­holung über die Regeln in ihrem Bundesland informiere­n (siehe nebenstehe­nden Text). Sie finden dort auch die Adressen der Ämter, an die die Anträge gerichtet werden müssen. Es lohnt aber auch, bei der Kommune nachzufrag­en. Teilweise bieten kleinere Vereine eigene Programme an. Wenn das Geld trotz al- ler Hilfen nicht zum Wegfahren reicht, sollten Eltern ihren Kindern das offen sagen. Das empfiehlt der Familienth­erapeut Axel Dubinski, der Eltern zusammen mit seiner Partnerin Sabine Moosburger berät. Auch im Leben der beiden Therapeute­n gab es eine Phase, in der das Geld knapper war. „Wir sind damals 30 Kilometer von zu Hause weg zum Camping gefahren“, erzählt Moosburger. „Die Kinder“, sagt sie, „haben heute gute Erinnerung­en an diese Zeit. Ihnen war wichtig, dass wir etwas zusammen machen.“

Die Familie lebte damals in einem der guten Stadtteile in München. Deshalb seien die Kinder schon manchmal neidisch gewesen, wenn die Mitschüler vom Skifahren in den Rocky Mountains und den Reisen in die Karibik erzählt haben. „Wir haben dann einfach erklärt, dass Familien unterschie­dliche finanziell­e Möglichkei­ten haben“, sagt Dubinski.

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Foto: Fotolia Mal in einem Schwimmbad untertauch­en und Spaß haben. Für viele Kinder ist das selbstvers­tändlich. Doch manche Familien ha ben wenig Geld. Dennoch können Kinder in den Genuss von Ferien kommen. Es gibt Zuschüsse.

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