Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit Hinterglas schließt sich eine Lücke
Dauerausstellung für eine besondere Art von Malerei, für die Augsburg ein Weltzentrum war
Es ist kein weiter Weg vom großen Festsaal im ersten Stock des Schaezlerpalais, wo die Eröffnung der Ausstellung mit Hinterglasgemälden aus der Sammlung Steiner stattfand, zum ca. 40 Quadratmeter kleinen Raum im Erdgeschoss, wo die Ausstellung selbst zu sehen ist. Der Weg dorthin geleitete die VernissageGäste durch die Barockgalerie und vorbei auch an zwei Paris-Veduten von Wolfgang Baumgartner (1702 – 1761), der Augsburger Hinterglasmalerei auf die Spitze getrieben hat. Jetzt begegnet er im Erdgeschoss wieder, und zwar mit einer Venedig-Ansicht von San Giorgio Maggiore. Dass die Vorlage dafür ein Schabkunstblatt war, dem seinerseits ein Gemälde vorlag, ist Provenienzforschung der besonderen Art, die den in Breslau geborenen, längst in München (und Österreich) beheimateten Hinterglasbild-Sammler Wolfgang Steiner zu einer Ausnahmeerscheinung macht.
Es ist nach 2008, 2012, 2012/13 und 2015 die fünfte Hinterglas-Ausstellung im Schaezlerpalais, die sich Steiners einzigartige Sammlung zunutze macht – einzigartig auch darin, dass möglichst jedem Hinterglasbild auch die grafische Vorlage zugeordnet wird, gewissermaßen als „Der Blick dahinter“. Genau so lautet der Titel dieser Ausstellung. Sie ist im Unterschied zu den vorangegangenen Präsentationen als Dauerausstellung konzipiert in einem Raum, der zuvor für Archiv und Museumspädagogik gedient hatte.
Auf fünf Wände verteilen sich in fünffacher Zuordnung knapp 60 Hinterglasbilder, wobei Augsburg, Tirol/Südtirol und Italien den größ- ten Anteil haben. Aber auch die Schweiz, das Staffelsee-Gebiet, Franken, Böhmen und England (kolorierte Hinterglas-Grafiken) werden für die Vielfalt der Malschulen, Maltechniken und für den variablen Umgang mit oft denselben grafischen Vorlagen herangezogen. Das unerlässliche Begleitheft der Ausstellung dokumentiert das im Einzelnen.
Und dann gibt es noch einen prächtigen Solitär, der am Eingang postiert ist: ein um 1700 in Neapel gefertigtes Prunk-Kabinett mit 18 Hinterglasmalereien. Jeweils gerahmt mit goldhinterlegtem Schild- patt, zeigen sie Szenen aus Ovids „Metamorphosen“. Grafische Vorlage waren Radierungen von Antonio Tempesta. Dieses Kunstmöbel ist schon von den Maßen (83x128x47 Zentimeter) nicht zu vergleichen mit den süddeutschen Miniatur-Kabinetten, die Wolfgang Steiner vor zwei Jahren in der Ausstellung „Goldglanz und Silberpracht“gezeigt hat. Und auch seine Geschichte ist unvergleichlich: Das Prunk-Kabinett gelangte vom damals spanischen Neapel ins damals spanische Südamerika, wo es 300 Jahre später ein deutscher Diplomat erwarb und mit nach Deutschland in den Ruhestand nahm. Hier kam es nach seinem Tod in den Kunsthandel, und Wolfgang Steiner war mit seiner Spürnase wieder einmal zur Stelle, als es 2016 im westfälischen Münster versteigert wurde.
Mit etlichen Objekten seiner Sammlung verbinden sich seltsame Geschichten. Zum Beispiel mit einer venezianischen Glasmalerei, deren hinterlegtes Papier sich als amtliches Register der Bettler in Venedig und der ihnen gewährten Unterstützung erwies.
Groß waren bei der Vernissage Lob und Anerkennung für Wolfgang Steiner und seine Frau Gisela, die nun einen beeindruckenden Teil ihrer Sammlung dauerhaft in Augsburg präsentieren. Es sei auch an der Zeit, dass sich dieses einstige Weltzentrum für Hinterglasmalerei so darstellen könne. Ein Weltzentrum dieser Art konnte Augsburg werden, weil es dafür auch die unabdingbare Voraussetzung bot – durch die grafischen Vorlagen seiner Maler, Zeichner, Stecher und Verleger, die ihrerseits der alten Reichsstadt eine metropolische Stellung verschafften. Durch die Steiner’sche Dauerausstellung schließt sich nun eine Lücke in der kulturellen Gesamtschau, die Augsburgs Kunstsammlungen und Museen bieten. O
„Der Blick dahinter“wird als Blick auf Hinterglasgemälde der Sammlung Steiner und deren grafische Vorlagen im Erdgeschoss des Schaezlerpalais ge zeigt. Di So 10 17 Uhr. Begleitheft für fünf Euro