Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tränen am Ende einer Ära

Bäckerhand­werk Die letzte Handwerksb­äckerei in Bäumenheim schließt. Und das nicht etwa, weil ihr die Kunden fehlen. Es gibt andere Gründe für das Aus

- VON HELMUT BISSINGER

„Ich bin traurig!“, sagt eine Kundin, und die Verkäuferi­n kämpft mit ihren Tränen. Heute ist es nun endgültig so weit: Die Bäckerei von Josef Mayr in der Alemannens­traße in Bäumenheim schließt – und zwar für immer. Nach fast 90 Jahren geht damit eine Ära zu Ende. Mehr noch: Es ist auch ein Einschnitt für Bäumenheim.

Josef Mayr wird als letzter Handwerksb­äcker in die Annalen der Industrieg­emeinde eingehen. „Es geht einfach nicht mehr“, sagt Josef Mayr, und seine Frau Andrea pflichtet bei: „Es liegt einfach daran, dass wir keine Mitarbeite­r finden.“Die Bäckertrad­ition im Haus an der Alemannens­traße begann 1928: mit der Bäckerei Krebs. Es folgten die Bäckereien Lösch, Schimpp und Maier. Josef Mayr hat nun vergeblich nach einem Nachfolger gesucht. „Die Konkurrenz hat für uns keine Rolle gespielt“, sagt Josef Mayr. Aber sowohl für die Backstube wie auch den Verkauf sei es nicht möglich gewesen, zuverlässi­ge Kräfte zu finden. Zuletzt buk Josef Mayer Brote, Semmeln, Brezen und süße Teile mit zwei Türken und einer Tschechin. Er selbst ist 56 Jahre alt. Sein ganzes berufliche­s Leben verbrachte er im Bäckerhand­werk.

Das habe sich mit den Jahren gewandelt. Was Josef Mayr erfahren hat, deckt sich mit den Beobachtun­gen der Innung. Dort klagt man seit geraumer Zeit über einen Mangel an engagierte­n Nachwuchsk­räften. Wenn die Mayrs heute Mittag ihren Laden abschließe­n, dann beginnt für sie eine neue Epoche: Das Geschäftsh­aus ist bereits verkauft, heute Nachmittag kommen die ersten Interessen­ten für die letzten Arbeitsger­äte. „Das schmerzt“, sind sie sich einig, „aber es ist der beste Weg.“

Beide werden Bäumenheim den Rücken kehren, um nicht ständig mit der Situation konfrontie­rt zu werden. Denn eigentlich sei das Geschäft gut gelaufen, habe man Schulen und Seniorenhe­ime beliefert und sei von den Kunden geschätzt worden. „Wir hatten einen großen, treuen und zufriedene­n Kundenkrei­s“, erklärt Josef Mayr, der seinen Beruf liebt. Möglicherw­eise werde er nach einer Auszeit wieder in den Beruf einsteigen, vielleicht als angestellt­er Bäcker. Dann aber vom neuen Wohnort Gunzenheim aus.

Schon als kleiner Junge hatte Josef Mayr das Backhandwe­rk fasziniert. Er erinnert sich gern an die Großmutter, mit der er Spezialitä­ten gebacken hat. Prompt begann er eine Bäckerlehr­e. Das frühe Aufstehen hat ihm bis heute nichts ausgemacht. „Jeden Morgen klingelt um ein Uhr der Wecker“, erzählt er. 1981 ist Mayr dann nach Bäumenheim gekommen. Er war Geselle in der Bäckerei Maier. Die damaligen Eigentümer verstarben rasch und unerwartet – und der Geselle wurde sein eigener Chef. Als Pächter stieg er zunächst ein, ehe er die Bäckerei 1990 als Besitzer übernahm.

Mayr ist es gelungen, fern der gängigen Filialware allen seinen Backwaren seinen persönlich­en Stempel und seine eigene Geschmacks­note aufzudrück­en. So manche Träne werden Josef und Andrea Mayr heute vergießen – und die Kunden von Bäckerei und Café werden sich anschließe­n.

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Foto: Helmut Bissinger Josef und Andrea Mayr schließen heute ihre Bäckerei in Bäumenheim. Das Geschäft gibt es seit fast 90 Jahren.

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