Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Alles im Eimer
Wer in den 70er Jahren über den Fußball ins Leben hineingewachsen ist, wird sich auch dann noch an die 74er WM-Partie Deutschland – Polen erinnern, wenn er die Geburtstage seiner Ehefrauen längst vergessen hat. Die Begegnung fand in politisch unkorrekten Zeiten statt, weshalb sie als Frankfurter Wasserschlacht in die Fußball-Geschichte einging. Das Spielfeld glich einer hessischen Seenplatte. Deutschland gewann 1:0, zog ins Finale ein und gewann.
Ein Erfolg, der den DFB-Frauen bei der EM in den Niederlanden nicht mehr vergönnt sein wird. Deutschland, der Europameister und Olympiasieger, ist raus. Das frühe Ende hatte sich schon in den Gruppenspielen abgezeichnet. Die Mannschaft wirkte uninspiriert und ideenlos, rettete sich mit Strafstößen in die K.-o.-Runde, brachte aus dem Spiel heraus nichts zustande. Dafür gab es gegen Dänemark die Quittung. Der Übergang von der glanzvollen Ära Silvia Neid auf ihre Nachfolgerin Steffi Jones war im Ergebnis eine Enttäuschung. Die Bundestrainerin wirkte hilf- und konzeptlos. Dabei hatte sie Samstagnacht im strömenden Regen von Rotterdam noch tatkräftig kübelweise Wasser geschöpft – vergebens. Der Pegelstand blieb hoch. Die Partie musste verschoben werden. Die DFB-Frauen gingen am Sonntag unter.
Wie viele von 1974 sich gestern vor dem Fernseher versammelt haben, ist nicht bekannt. Vermutlich wenige. Die Jünglinge der 70er Jahre sind inzwischen alte Grantler, die als solche beim Männer-Fußball geblieben. Schalten sie Frauen-Fußball ein, dann vor allem, um zu vergleichen, was nicht zu vergleichen ist: Männer- und Frauenfußball. Also zählen sie Fehlpässe und fühlen sich bestätigt, wenn der Ball ins Nichts segelt. Dann wünschen sie sich jene Zeiten zurück, in denen Weltmeisterinnen mit einem Kaffeeservice prämiert wurden. Die aber sind erfreulicherweise längst vorbei. Für den EM-Sieg in den Niederlanden hätte jede deutsche Spielerin 37000 Euro erhalten. Das ist als Prämie für eine Berufsfußballerin, die zu den besten Europas zählt, angemessen. Aber sie will hart verdient sein.
Für die deutschen Männer waren übrigens zuletzt für einen EM-Sieg 300000 Euro aufgerufen. Aber wir wollen nicht vergleichen.