Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wo die Augsburger früher abtauchten

Woisch no Das Freibad war oft eine trübe Brühe, aber wer kein Geld hatte, musste damit vorlieb nehmen. Von Bademeiste­rn mit seltsamen Namen und einem kleinen Loch zwischen den Umkleideka­binen

- VON SILVANO TUIACH

Was geschah, wenn „Woizä“gut gelaunt war ...

1955 gab es für Kinder noch keine Schwimmflü­gelchen aus Plastik. Ich erinnere mich, dass ich einen Schwimmgür­tel aus Kork hatte. Mit diesem um den Bauch gewickelt, ging ich mit meinem Opa zur Wertach (unterhalb der Wertachbrü­cke) und lernte dort das Schwimmen. Ob er mich irgendwann ohne Schwimmgür­tel nach Rosskur-Art ins tiefe Wasser stieß, weiß ich nicht mehr. Aber als ich eingeschul­t wurde, konnte ich schwimmen. Und wohin ging eine Steppacher Wasserratt­e? Natürlich ins Familienba­d nach Oberhausen!

Ich bekam von den Eltern immer 50 Pfennig (a „Fuchzgerl“) – oder vielleicht auch etwas mehr – und fuhr mit der Omnibuslin­ie 25 von Steppach zum Oberhauser Bahnhof. Von dort aus zu Fuß durchs „Hettenbach­viertel“, vorbei an „Rollladen Burlafinge­r“und Pestalozzi­Volksschul­e in Richtung Bad. Dann über den Eisernen Steg an der Wertachbrü­cke. Dort befand sich vor dem Steg ein Spielplatz mit Schaukel und Karussell. Letzteres war aus Holz und hatte Sitze mit einer Kette daran. Und einer von uns Buben musste natürlich anschieben. Das war auch am Ende des Badetags noch ein zusätzlich­es Vergnügen.

Neben dem Familienba­d befand sich das Freibad. Es kostete keinen Eintritt und die ärmeren Kinder mussten damit vorlieb nehmen. Das Wasser im Freibad wurde aus der Wertach gespeist und war oft eine dunkle trübe Brühe. Die gewieften unter den Jugendlich­en und Kindern stiegen dann allerdings über den Zaun, der sich in der Nähe der Familienba­d-Toiletten befand, und schwuppdiw­upp waren sie im „besseren Bad“.

Das Regiment im Familienba­d führte der legendäre Bademeiste­r „Woizä“. Dieser hatte eine hohe Fistelstim­me, die angeblich von einer Gasvergift­ung im Krieg herrührte. „Woizä“war streng, aber manchmal meinte er es gut mit uns Kindern. Wenn amerikanis­che Soldaten, die vornehmlic­h im angegliede­rten Sportbad mit seinem hohen Springturm lagen, einen Basketball vergaßen, schenkte er dankbaren Kindern den Ball. „Woizä“ wusste auch, dass in der hölzernen Umkleideka­bine, die an die der Frauen grenzte, ein Loch in der Holzwand war. Und wenn „Woizä“gut gelaunt war, durften wir Buben den Mädchen beim Umkleiden zusehen. Das wäre heute natürlich völlig unkorrekt, aber in diesen Zeiten galten halt noch „archaische“Gesetze. Apropos Buben und Mädchen: Wenn wir Buben den Mädchen hinterherj­agten, um sie zu necken und zu ärgern, flüchteten die Mädchen ins „Frauenbad“, was für uns Buben absolutes Sperrgebie­t war. Im Familienba­d konnte man auch das begehrte „Freischwim­merabzeich­en“erwerben, das dann die Mutter in Form eines Abzeichens auf die Badehose nähte. Wer noch besser war und noch besser schwamm, empfing vom Bademeiste­r, der das ganze überwachte, das „Leistungss­chwimmerab­zeichen“. Beide ovale „Abzeichala“machten auf die Mädels schon Eindruck. Zur Badehose: Die schicksten und gefragtest­en Badehosen trugen die Schwimmer vom Schwimmclu­b „Delphin“und „SVA“. Ganz knappe Höschen aus dünnstem Material, vorzugswei­se in Rot oder Blau. Heute würde man mit so einem Höschen wahrschein­lich aus den öffentlich­en Bädern verwiesen werden. Auch eine sportliche Sensation war im Familienba­d zu finden: die zwei Faustballf­elder. Faustball war in jenen Tagen mindestens so populär wie Basketball heute. Das Faustballf­eld für die „Profis“war unterhalb der Längsseite des Frauenbads angesiedel­t. An der Holzwand des Frauenbads waren Bänke, auf denen immer Bewunderer dieser Sportart saßen. Etwas westlich davon war das kleine Faustballf­eld der „Amateure“. Wer es hier zu „Ruhm“brachte, durfte zu den „Profis“wechseln. Ach ja, 1978 lag die erste Barbusige im Familienba­d, die wurde aber nach Beschwerde­n von Badegästen vom Bademeiste­r aufgeforde­rt, sofort wieder ihr Bikini-Oberteil anzulegen. Wie sang einst Bob Dylan: The times they are a changing. O

Der Autor Silva no Tuiach Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heu te lebt er in Neusäß. Der Kabarettis­t ist auch als Herr Ranz mayr bekannt.

 ??  ?? Walter Merk aus Augsburg hat uns diese beiden Bilder geschickt. Sie zeigen ihn und seine Frau Mathilde mit dem Sohn Karlheinz. Beide Aufnahmen entstanden im Sommer 1950 im Augsburger Familienba­d.
Walter Merk aus Augsburg hat uns diese beiden Bilder geschickt. Sie zeigen ihn und seine Frau Mathilde mit dem Sohn Karlheinz. Beide Aufnahmen entstanden im Sommer 1950 im Augsburger Familienba­d.
 ??  ?? Dieses Bild zeigt AZ Leser Manfred Koh ler im Sommer 1967 im Familienba­d.
Dieses Bild zeigt AZ Leser Manfred Koh ler im Sommer 1967 im Familienba­d.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? „Woisch no“– FoFolglgee­11
„Woisch no“– FoFolglgee­11

Newspapers in German

Newspapers from Germany