Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Souldiva mit eigenem Skulpturengarten
Kunst Die Sängerin Mom Bee lud in ihren „Garten der Lüste“ein. Zur Vernissage grillte sie eigenhändig und sang auch noch
Golden und Weiß erstrahlen die Skulpturen im hellen Sonnenlicht und strecken ihre Häupter heroisch in den Diedorfer Sommerhimmel. Und die hypnotisierende Ausstrahlung dieser göttergleichen Halbwesen ist ganz erstaunlich. Doch nicht etwa ein versierter Profikünstler hat diese Installationen erschaffen, sondern die Soulsängerin Mom Bee, die sich unverhofft in die Welt der bildenden Künste begeben hat. Nun lud sie zu einem kulturellen Grillfest in ihren „Garten der Lüste“ein, benannt nach dem verstörenden Höllenszenario des Renaissancemalers Hieronymus Bosch.
Und manche der ausgestellten Werke scheinen tatsächlich direkt aus dessen berühmtem Gemälde entsprungen zu sein: Krabbelnde Menschenköpfe, erschreckende Mischwesen, insektengleiche Kreaturen mit menschlichem Antlitz. Daneben aber auch völlig anderes: Viele von Mom Bees Skulpturen weisen afrikanische Züge auf, sind aber gleichzeitig überprägt von der antiken Mythologie der Skythen und Griechen. Die golden glänzende „Amazone“entwickelt sich schnell zum Besuchermagnet und auch der heroische Krieger „Ares“kann sogleich positive Kritiken für sich verbuchen.
In den Kunstwerken ist viel Ge- genständliches zu sehen, das jedoch längst die Grenzbereiche zum Surrealismus überschritten hat. „Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch spiegelt jenes wider, was uns selber jeden Tag umgibt“, sagt Mom Bee geheimnisvoll und erklärt den Gästen gerne, wie es zu ihrer neuen Leidenschaft gekommen ist.
Als Autodidaktin hat sich Mom Bee im Internet schlaugemacht und wendet seither professionellere Methoden bei der Bildhauerei an. Doch die tatsächlich verwendeten Materialien erstaunen die Besucher: Duschschläuche, Styroporplatten, Luftballons und sogar hölzernes Geäst aus den naheliegenden Wäldern. „Ich mag einfach basteln und batzeln“, sagt Mom Bee, „und ich schlendere auch gerne durch 1-Euro-Märkte, um neue Materialien zu finden.“So hatte sie für eine überdimensionale Halbplastik auch durchaus schon mal sämtliche ReißnägelVorräte eines ganzen Ladens aufgekauft.
Eine weitere spannende Geschichte betrifft die Gesichter der Figuren. Die meisten enthalten Züge der Künstlerin selbst, sei es die Nase oder auch die Lippen. Mom Bee hatte sich dafür selbst eingegipst und die entstandenen Formen schlichtweg in die Kunstwerke mit eingearbeitet. Welche ihre persönlichen Lieblingsstücke sind? Die Sängerin verweist auf drei unheimliche Mischwesen an der Häuserwand, die sie „These“, „Synthese“und „Antithese“genannt hatte. „Einmal stand ich nachts um vier Uhr hier draußen und hab den Vögeln gelauscht. Und dann glaubte ich wirklich, diese drei Gestalten miteinander flüstern zu hören.“
Ein netter Zwischenfall während des Ausstellungstages: Eine etwa 80 Jahre alte Dame betritt den Garten, mustert fasziniert eine goldene Statue und sagt überzeugt: „DAS ist die Nofretete!“Es handelt sich zwar tatsächlich um die Freiheitsgöttin Libertas, doch Mom Bee, die in Wirklichkeit Sylvia Beyerle heißt, freut sich sichtlich über ein solch reges Interesse an ihren Werken.
Am späteren Abend, erfreut die Sängerin noch mit zwei weiteren Künsten die Besucher: Es gibt leckere Schmankerl vom Grill und ein stimmungsvolles Gesangskonzert ihrer schönsten Soulmelodien. Zur Zeit befindet sich der Garten der Lüste in der Steppacher Straße 14 in Vogelsang, doch eigentlich handelt es sich um eine Wanderausstellung. Ab Herbst werden die Werke in der Augsburger Galerie am Graben zu sehen sein.
Der Augsburger Künstler Reinhard Gammel zeigt sich in seiner Laudatio mehr als angetan von Mom Bees Lustgarten: „Sie schafft Figuren, die aus der fernen Natur zu kommen scheinen – und deren Gefühle uns doch irgendwie nahe sind.“