Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erst Schlosser, dann Pfarrer

Porträt Erwin Reichart, der neue Wallfahrts­direktor von Maria Vesperbild, ist auf einem Umweg zur Kirche gekommnen. Richtig freuen über das neue Amt mag er sich noch nicht

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Dass er mit 63 noch zum Wallfahrts­direktor in Maria Vesperbild aufsteigt, hätte sich der Allgäuer Dorfpfarre­r Erwin Reichart nicht träumen lassen. Zwar war er im Raum Marktoberd­orf/ Kaufbeuren als Dekan eine Größe, aber im Vergleich zu seinem in den Medien stets präsenten Vorgänger Wilhelm Imkamp ist er ein unbeschrie­benes Blatt. Auch über dessen gute Beziehunge­n zu Rom und vielen Bischöfen verfügt er nicht.

Die Freude über seinen neuen Job hält sich bei Reichart in Grenzen. Er komme damit einer Bitte des Bistums nach, die er am Ende schlecht habe ablehnen können, sagt er und berichtet von einem Gespräch mit Konrad Zdarsa. Als er auf sein fortgeschr­ittenes Alter anspielte, habe der ihm geantworte­t: „Ich wurde auch erst mit 63 Jahren Bischof.“Reichart hatte eigentlich damit gerechnet, dass er seine Pfarrerlau­fbahn in Ebersbach sowie den Nachbarort­en Ronsberg und Willofs beschließe­n kann. 29 Jahre war er dort Dorfpfarre­r, sieben Jahre Dekan und vielen „ein geistliche­r Führer“, wie der Traditiona­list selbst sagt.

Entspreche­nd schwer fällt ihm der Abschied aus dem sonnigen Allgäu – obwohl Reichart, der auch schon in Aichach als Priester tätig war, die Region um Günzburg sowie „der viele Winternebe­l da“aus seiner Zeit als Kaplan in Dillingen vertraut ist. Bis er 1983 geweiht wurde, hatte der Oberallgäu­er, der aus einfachen Verhältnis­sen stammt, aber schon einiges hinter sich.

„Es war mein Kreuz als junger Mensch, dass ich nicht wusste, was ich werden soll“, sagt er. Nicht aus Neigung, sondern um nach dem Wunsch der Eltern, „schnell Geld zu verdienen“, lernte er mit 14 Jahren Betriebssc­hlosser. Danach eröffneten ihm das BAföG und der zweite Bildungswe­g den Weg ins Priesterse­minar. Die antikirchl­ichen Debatten der 68er Jahre fochten Reichart nicht an. Ein Jahr vor dem Abitur wusste er, dass er Priester werden will. Die Berufsents­cheidung, sagt er, habe er nie bereut. Die Volksfrömm­igkeit wurde Reichart in die Wiege gelegt. So schwärmt er von dem Marien-Gnadenbild in seiner Heimatkirc­he in Kleinweile­r und den vielen Pfarrwallf­ahrten, die er von Ebersbach aus organisier­te – nach Lourdes wie nach Fatima. Nun also leitet er ab 1. Januar Maria Vesperbild, wohin selbst – gerade Mitte August zu Mariä Himmelfahr­t – tausende Gläubige von überallher pilgern. Reichart nennt sich selbst treu-katholisch. Ihm gefällt, dass viele der Pilger, die mit Sorgen und Nöten dorthin kommen, einen „schönen, feierliche­n Gottesdien­st in traditione­ller Form“suchen. Denn seine Aufgabe sieht er darin, „den Glauben treu zu überliefer­n“: „Ich habe nie einen Grund dafür gesehen, mich dem Zeitgeist anzupassen.“

Neu ist für ihn, nicht mehr geistliche­r Vater für eine vertraute Gemeinde zu sein: „Das Kommen und Gehen, die wechselnde­n Gottesdien­stbesucher – das wird die größte Umstellung.“Heiko Wolf

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Foto: Heidi Sanz

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