Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Pendler Zahl erreicht Rekord
Beruf Immer mehr Menschen fahren täglich weite Wege zur Arbeit – zum Beispiel nach München. Das hat Folgen für Immobilienpreise und Gesundheit
Den Wecker auf 5 Uhr stellen, aufstehen, ins Auto setzen und dann eine Stunde oder länger in die Arbeit fahren. Abends geht es zurück. Dieser Tagesablauf ist nur ein Beispiel. Er gilt in Deutschland aber für immer mehr Beschäftigte. Denn die Zahl der Pendler steigt. Dies zeigt sich auch in unserer Region. Eine besondere Sogwirkung hat der Großraum München. Das hat Folgen für Immobilienpreise, aber auch für die Gesundheit.
Rund 18,4 Millionen Menschen arbeiten heute in einer anderen Gemeinde als der, in der sie wohnen, berichtet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn. Der Anteil der Pendler an den Beschäftigten habe damit einen neuen Höchststand erreicht – nämlich 59,4 Prozent. Das seien 0,2 Prozentpunkte mehr als im Jahr davor. Die Pendlerströme nehmen zu – mit den bekannten Folgen. Mehr Verkehr, Straßenbau, weniger Zeit für Freizeit und Familie.
Und die Großstadt, die am meisten Pendler anzieht, liegt in Bayern. Es ist München. Jeden Tag fahren rund 365 000 Menschen in die bayerische Landeshauptstadt, um dort arbeiten, berichtet das Institut. Das sind 44,6 Prozent aller dort arbeitenden Leute. Der Wirtschaftsraum München übt auch auf Arbeitnehmer aus dem Wirtschaftsraum Augsburg eine steigende Attraktivität aus. Das hat man bei der Industrieund Handelskammer Schwaben (IHK) beobachtet.
Pendelten im Jahr 2013 über 19 000 Arbeitnehmer aus dem Wirtschaftsraum Augsburg nach München, waren es 2016 bereits 22000. Unter „Wirtschaftsraum Augsburg“versteht die Kammer dabei Stadt und Landkreis Augsburg plus den Kreis Aichach-Friedberg, unter „Wirtschaftsraum München“die bayerische Landeshauptstadt plus den Kreis München.
Ein Grund für den Pendel-Boom ist, dass die Beschäftigung generell zugenommen hat, erklärt Christine Neumann, Referentin für „Standort und Monitoring“bei der IHK. Es gibt mehr Jobs – und damit auch mehr Pendler. Ein Grund seien aber auch die Lebenshaltungskosten: Sie sind abseits der Metropole München meist günstiger und entfalten eine Sogwirkung auf Pendler, erklärt Neumann. Vor allem das Wohnen in München ist teuer. Wer dort arbeitet, schaut sich deshalb häufig im Umland nach einer Unterkunft um. Die Mietpreisentwicklung könnte deshalb dazu beigetragen haben, dass die Pendlerzahlen zwischen Augsburg und München zunehmen, erklärt Neumann. Zudem kommt man heute schneller von Augsburg nach München als vor einigen Jahren. „Der Ausbau der A 8 und der höhere Takt auf der Bahnstrecke Augsburg–München machen es attraktiver zu pendeln“, sagt IHKVerkehrsexperte Peter Stöferle.
Arbeiten in München, wohnen im Großraum Augsburg – dieses Konzept treibt wohl auch die hiesigen Immobilienpreise in die Höhe. „Münchner Familien, die sich in unserer Region eine Immobilie anschaffen, sind andere Preise gewohnt und deshalb bereit, höhere Preise zu zahlen“, hat IHK-Expertin Neumann beobachtet. Eine Untersuchung gibt es aber nicht.
Doch auch Großstädte in unserer Region sind das Ziel von Pendlern. Nach Augsburg selbst fuhren dem Bundesinstitut für Bauforschung zufolge im Jahr 2016 über 72000 Arbeitnehmer – 51,7 Prozent aller Beschäftigten dort. Das Bonner Institut hat sich mit Städten über 100 000 Einwohnern beschäftigt und leicht andere Zahlen als die Bundeszu arbeitsagentur in unserer Grafik, die die Pendlerzahlen exakt zum 30. Juni 2016 erhoben hat. Interessant ist, dass über 3000 Menschen aus dem Raum München zum Arbeiten Richtung Augsburg fahren – Tendenz steigend. „Es sind in unserer Region Arbeitsplätze entstanden, die für Münchner attraktiv sind“, sagt IHK-Fachmann Stöferle.
Zurück zu den anderen Städten der Region. Auch hier ist das Pendeln verbreitet: Nach Ingolstadt fahren dem Bonner Institut zufolge über 62 000 Arbeitnehmer, was 60,6 Prozent der Beschäftigten dort entspricht. Und nach Ulm fahren über 61000 Leute – 67 Prozent der dort Beschäftigten. Auf Schwaben bezogen waren übrigens Mitte 2016 rund 134 000 Menschen Auspendler. 2013 waren es erst rund 119000.
Für die Gesundheit ist das Pendeln oft nicht gut, berichtet Elke Jentzsch-Kraus von der AOK Bayern. „Die Wegstrecken für die Pendler haben zugenommen“, sagt sie. „Teils werden über 150 Kilometer gefahren.“Schlafdefizite, Kopfschmerzen und Rückenschmerzen wegen fehlender Bewegung seien die Folge. Wie Pendler den Stress beheben können, lesen Sie morgen auf unserer Seite