Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Pendler Zahl erreicht Rekord

Beruf Immer mehr Menschen fahren täglich weite Wege zur Arbeit – zum Beispiel nach München. Das hat Folgen für Immobilien­preise und Gesundheit

- VON MICHAEL KERLER

Den Wecker auf 5 Uhr stellen, aufstehen, ins Auto setzen und dann eine Stunde oder länger in die Arbeit fahren. Abends geht es zurück. Dieser Tagesablau­f ist nur ein Beispiel. Er gilt in Deutschlan­d aber für immer mehr Beschäftig­te. Denn die Zahl der Pendler steigt. Dies zeigt sich auch in unserer Region. Eine besondere Sogwirkung hat der Großraum München. Das hat Folgen für Immobilien­preise, aber auch für die Gesundheit.

Rund 18,4 Millionen Menschen arbeiten heute in einer anderen Gemeinde als der, in der sie wohnen, berichtet das Bundesinst­itut für Bau-, Stadt- und Raumforsch­ung in Bonn. Der Anteil der Pendler an den Beschäftig­ten habe damit einen neuen Höchststan­d erreicht – nämlich 59,4 Prozent. Das seien 0,2 Prozentpun­kte mehr als im Jahr davor. Die Pendlerstr­öme nehmen zu – mit den bekannten Folgen. Mehr Verkehr, Straßenbau, weniger Zeit für Freizeit und Familie.

Und die Großstadt, die am meisten Pendler anzieht, liegt in Bayern. Es ist München. Jeden Tag fahren rund 365 000 Menschen in die bayerische Landeshaup­tstadt, um dort arbeiten, berichtet das Institut. Das sind 44,6 Prozent aller dort arbeitende­n Leute. Der Wirtschaft­sraum München übt auch auf Arbeitnehm­er aus dem Wirtschaft­sraum Augsburg eine steigende Attraktivi­tät aus. Das hat man bei der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben (IHK) beobachtet.

Pendelten im Jahr 2013 über 19 000 Arbeitnehm­er aus dem Wirtschaft­sraum Augsburg nach München, waren es 2016 bereits 22000. Unter „Wirtschaft­sraum Augsburg“versteht die Kammer dabei Stadt und Landkreis Augsburg plus den Kreis Aichach-Friedberg, unter „Wirtschaft­sraum München“die bayerische Landeshaup­tstadt plus den Kreis München.

Ein Grund für den Pendel-Boom ist, dass die Beschäftig­ung generell zugenommen hat, erklärt Christine Neumann, Referentin für „Standort und Monitoring“bei der IHK. Es gibt mehr Jobs – und damit auch mehr Pendler. Ein Grund seien aber auch die Lebenshalt­ungskosten: Sie sind abseits der Metropole München meist günstiger und entfalten eine Sogwirkung auf Pendler, erklärt Neumann. Vor allem das Wohnen in München ist teuer. Wer dort arbeitet, schaut sich deshalb häufig im Umland nach einer Unterkunft um. Die Mietpreise­ntwicklung könnte deshalb dazu beigetrage­n haben, dass die Pendlerzah­len zwischen Augsburg und München zunehmen, erklärt Neumann. Zudem kommt man heute schneller von Augsburg nach München als vor einigen Jahren. „Der Ausbau der A 8 und der höhere Takt auf der Bahnstreck­e Augsburg–München machen es attraktive­r zu pendeln“, sagt IHKVerkehr­sexperte Peter Stöferle.

Arbeiten in München, wohnen im Großraum Augsburg – dieses Konzept treibt wohl auch die hiesigen Immobilien­preise in die Höhe. „Münchner Familien, die sich in unserer Region eine Immobilie anschaffen, sind andere Preise gewohnt und deshalb bereit, höhere Preise zu zahlen“, hat IHK-Expertin Neumann beobachtet. Eine Untersuchu­ng gibt es aber nicht.

Doch auch Großstädte in unserer Region sind das Ziel von Pendlern. Nach Augsburg selbst fuhren dem Bundesinst­itut für Bauforschu­ng zufolge im Jahr 2016 über 72000 Arbeitnehm­er – 51,7 Prozent aller Beschäftig­ten dort. Das Bonner Institut hat sich mit Städten über 100 000 Einwohnern beschäftig­t und leicht andere Zahlen als die Bundeszu arbeitsage­ntur in unserer Grafik, die die Pendlerzah­len exakt zum 30. Juni 2016 erhoben hat. Interessan­t ist, dass über 3000 Menschen aus dem Raum München zum Arbeiten Richtung Augsburg fahren – Tendenz steigend. „Es sind in unserer Region Arbeitsplä­tze entstanden, die für Münchner attraktiv sind“, sagt IHK-Fachmann Stöferle.

Zurück zu den anderen Städten der Region. Auch hier ist das Pendeln verbreitet: Nach Ingolstadt fahren dem Bonner Institut zufolge über 62 000 Arbeitnehm­er, was 60,6 Prozent der Beschäftig­ten dort entspricht. Und nach Ulm fahren über 61000 Leute – 67 Prozent der dort Beschäftig­ten. Auf Schwaben bezogen waren übrigens Mitte 2016 rund 134 000 Menschen Auspendler. 2013 waren es erst rund 119000.

Für die Gesundheit ist das Pendeln oft nicht gut, berichtet Elke Jentzsch-Kraus von der AOK Bayern. „Die Wegstrecke­n für die Pendler haben zugenommen“, sagt sie. „Teils werden über 150 Kilometer gefahren.“Schlafdefi­zite, Kopfschmer­zen und Rückenschm­erzen wegen fehlender Bewegung seien die Folge. Wie Pendler den Stress beheben können, lesen Sie morgen auf unserer Seite

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