Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Markt Aufseher

Harold Kraus gehört zum Stadtmarkt wie Stände, Händler und Kunden. Er hat ein Auge auf das Treiben dort, erinnert an die Regeln und verhängt auch mal ein Bußgeld. Wie etwa beim Hundemalhe­ur

- VON INA KRESSE

Mit seiner neongelben Weste ist Harold Kraus nicht zu übersehen. „Marktaufsi­cht“steht in großen Buchstaben auf ihrer Rückseite. Fünf Tage die Woche trifft man den 60-Jährigen auf dem Augsburger Stadtmarkt an. Als Marktaufse­her schaut Kraus dort nach dem Rechten. Und hat schon viel erlebt. Wie etwa das Malheur mit einem Hund.

„Wollen Sie Ihren Kaffee lieblich, magenschon­end oder eher resch?“, fragt Kraus. Das Interview halten wir nämlich bei einer Tasse Kaffee auf dem Stadtmarkt ab. Und Kraus weiß in- und auswendig, an welchen Ständen es was gibt. Wie etwas wo schmeckt. Wir landen schließlic­h in der Milchbar. Kraus bestellt einen schwarzen Kaffee. Wie immer bekommt er ihn in seiner ganz persönlich­en Tasse eingeschen­kt. Die wird in der Milchbar verwahrt. „Super Papa“steht auf dem blauen Pot. „Die Tasse hat mir meine Tochter geschenkt“, sagt er und geht nach draußen, um sich zum Gespräch an einen der Tische zu setzen.

Also, wie war das mit dem Hundemalhe­ur? Harold Kraus muss nämlich darauf achten, dass keine Hunde auf den Stadtmarkt mitgebrach­t werden. Das ist nur eine seiner verschiede­nen Aufgaben. Er vertreibt außerdem Bettlerban­den und sorgt dafür, dass in den Marktgasse­n nicht Fahrrad gefahren wird. Selbst das Schieben von Rädern gehe eigentlich nicht. Und eben Hunde. „Das Mitführen von Hunden ist aus gesundheit­lichen und hygienisch­en Gründen nicht erlaubt“, sagt der Marktaufse­her. „Hier sind Lebensmitt­el offen und die Hunde schnuppern oder heben das Bein.“Ein Hund kostet für einen Halter normalerwe­ise 20 Euro Bußgeld, wenn ein Hund etwas hinterläss­t, macht das 40 Euro. Doch Kraus spricht lieber erst mit den Besitzern, bevor er zu Maßnahmen greift. Außer er trifft auf Unbelehrba­rkeit. Oder wenn er getroffen wird.

„Mein Hund würde hier nie etwas machen“, habe mal eine Dame zu ihm gesagt. Just in dem Moment hob das Tier sein Bein und pinkelte Kraus an. „Das war der Frau sehr peinlich.“60 Euro waren dann insgesamt fällig. Der Marktaufse­her erinnert sich, dass es vor rund 15 Jahren extra Hundeboxen auf dem Stadtmarkt gab. Darin konnten Kunden ihren Fiffi vorübergeh­end verwahren. Aber das war vor Krauses Zeit. Seit 34 Jahren ist der gebürtige Augsburger bei der Stadt angestellt. Früher war er beim Verkehrsüb­erwachungs­dienst, seit sieben Jahren sorgt er als Aufseher auf dem Stadtmarkt für Ruhe und Ordnung. Ein Job, der ihm mehr Spaß macht als der vorige, sagt er.

„Ich bin an der frischen Luft und habe Kontakt zu den Leuten.“Kraus meint nicht nur die Besucher des Stadtmarkt­es. Etliche Kunden suchten zwar das Gespräch mit ihm. Und häufig gibt der Mann mit der knallgelbe­n Weste Auswärtige­n Auskunft über Augsburg. Das macht Kraus gerne. Mit Leuten meint er aber auch die Beschicker des Stadtmarkt­es. Er kennt sie alle, alle kennen ihn. Wie etwa Obsthändle­rin Christiane Lieblein, die ihm vor dem Interview noch den Kragen zurechtger­ückt hat.

Mit den Händlern verbindet ihn ein besonderes Verhältnis. „Sie lieben mich und gleichzeit­ig hassen sie mich.“Klar, auf der einen Seite ist da das Zwischenme­nschliche. Das Sich-Kennen und das Miteinande­rRatschen. Kraus klappert morgens gerne die Beschicker ab und begrüßt sie. Auf der anderen Seite aber ist er der Aufseher. „Ich muss sie darauf hinweisen, wenn etwas nicht geht.“ Wenn zum Beispiel ein Händler mehr Platz nutzt, als ihm zugewiesen wurde. „Es gibt eine Satzung. An die müssen sich alle halten.“Wenn ein Beschicker um neun Uhr morgens, allerspäte­stens um Viertel nach neun, sein Auto noch nicht weggefahre­n hat, schreitet er ein.

Aber auch hier gelte für ihn: Erst das Gespräch suchen. „Ich sage nicht immer gleich nein, sondern frage erst nach, warum etwas so gemacht wird. „Aber wenn ich einmal angelogen werde, gibt es bei mir keine Ausnahmen mehr“, betont der 60-Jährige und fügt hinzu: „Irgendwann kommt alles raus.“Meistens bei seinen „Informatio­nsgespräch­en“mit Händlern, wie er es nennt. Da erfahre man auch Neuigkeite­n. Vor allem, wenn Neid auf Konkurrenz eine Rolle spielt. „Ich dachte ja, der Stadtmarkt ist eine heile Familie. Aber es kracht auch untereinan­der.“In manchen Fällen versuche er zu schlichten. Kraus fühle sich als Marktaufsi­cht von den Händlern jedenfalls akzeptiert.

Plötzlich hebt er die Hand und ruft laut über den Platz: „Hallo absteigen.“Ein Mann und eine Frau radeln gerade durch die Bäckergass­e. Kraus deutet mit dem Zeigefinge­r nach unten. „Absteigen! ... Danke!“Beim Radfahren wären eigentlich 20 Euro fällig, beim Schieben des Drahtesels übrigens fünf. Aber Kraus drückt ein Auge zu.

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Foto: Andreas Baumer Seit sieben Jahren ist Harold Kraus als Aufseher auf dem Stadtmarkt tätig.

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