Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vorteil TC Meitingen
Tennis Warum ein kleiner Verein mit seinem Turnier plötzlich auf der weiß-blauen Tennislandkarte eine Rolle spielt
Hans-Jörg Rußwurm ist ein Macher. Einer, der im Beruf und in seiner Freizeit nach vorne strebt. So hat der 51-Jährige die kleine Schlosserei Rußwurm aus dem Meitinger Ortsteil Ostendorf (Lkr. Augsburg) nun in der dritten Generation zur weltweit tätigen Rußwurm (ruwu) Ventilatoren GmbH ausgebaut. Mit 30 Mitarbeitern erarbeitet Rußwurm über drei Millionen Euro Umsatz.
Wie seine Firma führt Rußwurm auch den Tennisclub Meitingen als Vorsitzender. Ehrgeizig. Seit 2006 ist er im Amt. Seine Frau Angela Reicherzer-Rußwurm ist kaufmännischer Vorstand, er spielt bei den Männern 40 und 50. Auch seine drei Söhne sind im Verein aktiv.
Dessen Mitgliederzahl hat sich bei rund 200 eingependelt. Die schmucke Anlage hat zehn Sandplätze, das Klubheim allerdings keine feste Bewirtung. Eigentlich könnte Rußwurm ganz zufrieden sein. Doch er weiß auch: 200 Mitglieder sind zu wenig, um langfristig überleben zu können. Darum ergriff er vor einem Jahr die Initiative und sagte: „So wie die letzten zehn Jahre können wir nicht weitermachen, so geht es nicht.“Die eigene Männermannschaft, die in der Kreisklasse 1 gegen Teams wie Pöttmes II, Thierhaupten oder Aichach spielt, mit auswärtigen Spielern nach oben zu pushen, um so den TC Meitingen bekannter und für neue Mitglieder attraktiver zu machen, kam für ihn nicht in Frage. „Da fehlt die Identifikation mit dem Verein.“
Rußwurm wollte andere Impulse setzen. „Mir macht es Spaß, Turniere zu organisieren. Ich wollte ein großes Turnier nach Meitingen holen. So mit 2000 oder 3000 Euro Preisgeld.“Doch davon rieten sie ihm beim Bayerischen Tennisverband (BTV) ab. Zu viele gebe es davon im Freistaat. Aber mit einem deutschen Ranglisten-Turnier für Frauen und Männer mit 10000 Euro Preisgeld hätte er fast ein Alleinstellungsmerkmal. Rußwurm war begeistert und packte es an. Vom heutigen 3. August bis zum 6. August finden nun zum zweiten Mal die „Offenen Meitinger Pokalmeisterschaften um den ruwuCup“statt. 120 Spielerinnen und Spieler aus ganz Deutschland machen das Turnier zum viertgrößten in Bayern und zum größten in Schwaben. Mit dabei sind auch die jeweils an Nummer 1 gesetzten bayerischen Meister Stephan Hoiss (TV Reutlingen) und Julia Thiem (GW Luitpoldpark München)
Mit seiner Idee profitiert Ruß- vom Turniersterben im Regierungsbezirk. Seit 1992 war das internationale ATP-Challenger-Turnier in Oberstaufen das Maß aller Dinge. Die weltweit besten Talente kamen auf ihrer Tour auch ins Allgäu. 1995 hieß der Sieger Carlos Moya. Der Spanier gewann als 17-Jähriger im Allgäu und war vier Jahre später die Nummer eins der Weltrangliste. 2014 veranstaltete der TC BW Oberstaufen das Turnier zum letzten Mal. „Wir haben definitiv den Schlussstrich gezogen, weil der organisatorische Aufwand nicht mehr zu stemmen war. Uns fehlen einfach zu viele Leute, die weiterhin ihre Freizeit opfern“, erklärte Hans Hermann im Frühjahr 2016 das endgültige Aus.
Auch die vorgegebene Steigerung der Preisgelder machte die Ausrichtung immer problematischer. Finanziell wäre das Turnier mit einem Etat von rund 140000 Euro vielleicht zu bewältigen gewesen, sagte Hermann damals, allerdings nicht personell. In den vergangenen fast 25 Jahren seien auch die freiwilligen Helfer immer älter geworden. Viele sind um die 70. Wie Hermann, 68, selbst. Abnützungserscheinungen nach über zehn Jahren machten sich auch beim 10 000-Dollar-ITF-Turnier in Friedberg bemerkbar, bei dem 2015 der Vorhang fiel. Allerdings nicht bei den Organisatoren, sondern bei den Sponsoren. „Wir hatten zuletzt ein Budget von 15000 bis 20000 Euro“, sagt der ehemalige Turnierorganisator Peer Braml. Jahrelang ging die Kalkulation Null auf Null auf. Doch als man in Friedberg dann Gefahr lief, in die roten Zahlen zu rutschen, zog man die Notbremse. „Das war es uns nicht mehr wert.“Dazu kommt, dass die Preisgeldgrenze für internationale Turniere auf 15 000 Dollar angehoben wurde. Die Messlatte liegt für den TC Friedberg zu hoch. „Das ist nicht mehr machbar“, sagt Braml. Zumal die Nähe zu Augsburg und die Erfolge des FCA und der Augsburger Panther die Sponsorensuche immer schwieriger machten. „Erstliga-Fußball und Eishockey sind bei den Sponsoren der Schwerpunkt. Tennis ist nicht so gefragt“, sagt Braml. Das haben die Augsburger Vereine wie der TC Augsburg und der TC Schwaben festgestellt und geben sich mit kleineren Ranglisten-Turnieren zufrieden.
Dass jetzt im kleinen Meitingen ein Turnier der dritthöchsten Kategorie in Deutschland ausgerichtet wird, freut den Bezirksvorsitzenden Peter Schweyer: „ Du brauchst einen Tennisbegeisterten, der im Verein fest verwurzelt ist und mit viel Herzblut dabei ist. Dann funktioniert’s.“
So einer ist Unternehmer Rußwurm. „Ich will, dass das Turnier in Meitingen in ganz Bayern wahrgenommen wird.“Im ersten Jahr hat er mit seiner Firma die Hälfte des Preisgelds übernommen. In diesem Jahr habe er seinen Anteil „deutlich reduzieren“können. Vom Format eines Turniers wie in Oberstaufen oder selbst in Friedberg ist man in Meitingen aber noch einige Grundlinienwurm schläge entfernt. In Oberstaufen zum Beispiel übernahmen die ortsansässigen Hoteliers die Unterbringung der Spieler. In Friedberg fielen allein Schiedsrichterkosten in Höhe von rund 5000 Euro an.
In Meitingen ist das alles noch eine Nummer kleiner. Dennoch musste Rußwurm im Verein erst einmal Überzeugungsarbeit leisten. Schließlich sind in der Turnierwoche zwischen 20 und 30 Mitglieder ehrenamtlich eingespannt. „Gerade unsere Senioren waren am Anfang dagegen. Dann waren sie allerdings die Ersten, die zum Helfen kamen und die Letzten, die gingen“, erzählt Rußwurm. Der ganze Verein steht nun hinter dem Turnier. „Für uns wirkte diese Woche wie eine Blutauffrischung“, schwärmt Rußwurm. Jeden Tag kamen 200 bis 250 Zuschauer auf die Anlage. Rußwurm hofft, dass er diese Marke toppen kann. Die Aufbruchsstimmung will er nützen. Er will die Mitgliederzahl weiter steigern und im November hat man beschlossen, eine Dreifach-Tennishalle zu bauen.