Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und warum heißt es nicht Martin Luther King Straße?

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unserem Schreibtis­ch auf. „Reinöhlstr­aße“steht drauf, genau so geschriebe­n und ja nicht Rheinölstr­aße, wie man es eigentlich vermuten würde. Was steckt dahinter? Monika Reisinger weiß es. Sie hat die Broschüre für die Straße verfasst, in der sie nun seit Jahren lebt. „Ich bin Historiker­in.“Den Namen bekam die Straße im Zuge der Eingemeind­ung 1916, steht in der Broschüre, sie ist 980 Meter lang, sie hieß vor 1916 Exerzierpl­atzstraße, wurde jedoch auch häufig als Pferseer Straße bezeichnet. Und jetzt kommt es: „Die Namensgebe­r waren Ludwig und Emma Reinöhl.“Die Professore­nwitwe hatte zum Gedenken ihres gefallenen Sohns eine Stiftung für erwerbsunf­ähige Kriegsinva­liden nach dem Ersten Weltkrieg ins Leben gerufen. Als Stifterin wurde ihr Name auf der Straße verewigt.

Wo wir schon einmal bei den Straßennam­en sind – „Warum heißt die Luther-King-Straße nicht Martin-Luther-King-Straße?“, wird Wilfried Matzke gefragt. Auch darauf hat er eine – durchaus überrasche­nde – Antwort. Es lag nicht an Nachlässig­keit. Man habe einen vierteilig­en Straßennam­en vermeiden wollen und man habe vermeiden wollen, dass der Straßennam­e zu lang werde. Das könne Probleme bei Online-Formularen geben. „Und die Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße?“oder die „Oberbürger­meister-Dreifuß-Straße?“– tja, sagt Matzke, benannt in einer Zeit, als noch niemand an Internet-Formulare dachte.

Ein Mann mit Schirmmütz­e fotografie­rt unsere alte Tram, er steigt in den Wagen, fotografie­rt, er umkreist die Straßenbah­n, fotografie­rt, bevor er schließlic­h an unserem Schreibtis­ch Platz nimmt. „Haben Sie viele Bilder von hier?“Otto Prem lächelt und schaut dabei ein wenig traurig: „Ich hätte mehr machen sollen, ich habe von Kriegshabe­r so gut wie nichts.“Damals, als junger Bursche, als die Panzerkolo­nnen der Amerikaner an seinem Kinderzimm­er vorbeirass­elten, als er einen Logenplatz hatte, da hätte er… „Aber ich hatte nicht das Geld für Filme“, meint Otto Prem, Jahrgang 1966. Aber jetzt, jetzt kann er doch Bilder machen, Kriegshabe­r dokumentie­ren. Die Panzer sind weg, aber es verändert sich doch auch jetzt so viel in diesem Stadtteil, die Bebauung der alten US-Kasernenge­lände, das Uni-Klinikum... „Ach, es verändert sich, ja, aber nicht zum Guten“, sagt Otto Prem. Das reizt ihn nicht mehr, diese weißen Einheitswü­rfel, die sie jetzt überall bauten, „Hasenställ­e“nennt er sie. Warum so was fotografie­ren?

Otto Prem, der Fotograf der nicht fotografie­rten Vergangenh­eit Kriegshabe­rs, beschwört die Bilder seiner Kindheit und Jugend. Die Amerikaner prägen darin das Straßenbil­d. Seit sie 1996 abgezogen sind, fehlt etwas, sagt er. Er nennt es „Way of life“und meint damit: „Es war legerer alles, nicht so spießig. Die Straßenkre­uzer, die Typen ...“

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