Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie hütet 66 verschiedene Tomatensorten
Unser Essen Tomaten sind das Lieblingsgemüse der Deutschen. Veronika Baumann aus Emersacker baut besonders viele Sorten an. Sie kommen bis aus Russland und Tunesien. Jede hat nicht nur einen besonderen Geschmack, sondern auch eine eigene Geschichte / Seri
Emersacker Veronika Baumann hat eine Lieblingstomate: Sie trägt die Nummer eins auf ihrer langen Liste der Tomatensorten, doch einen Namen hat sie nicht. „Sie ist süßlich, hat ein feines Aroma“, schwärmt die 63-Jährige. Auf ihrer Sortenliste steht bei der Position 1 „orange länglich“. Zur zweiten Lieblingstomate von Veronika Baumann zählt die Sorte Blue OSU, deren offizieller Name auf der Liste hinterlegt ist und die vor allem optisch sehenswert ist: Die violett-blaue Stabtomate gehört zu den dunkelsten Sorten – und sie braucht sehr lange, bis sie reif ist. Wenn man sie ernten kann, dann bereitet Veronika Baumann aus diesen beiden Favoriten und der Weißen Schönheit, einer weißen Tomate, und der Grünen von Helarios, einer grünen Tomatensorte, einen wahrlich kunterbunten Tomatensalat zu.
Aktuell hat Veronika Baumann viele reife Tomaten. Einige sind mit einem Zettel versehen, auf dem die Nummer der Sorte steht. Diese hat sie zu Samentomaten auserkoren. Und das bedeutet: Sie dürfen nicht geerntet werden. Aus ihnen wird später Samen gewonnen. Samentomaten sind in der Regel die Ersten, die am Stock hängen. Zudem müssen frei von Makeln sein, schließlich wird der Samen wieder angepflanzt. Mit sogenannten samenfesten Tomaten könne man nämlich genau dies tun, erklärt Veronika Baumann: „Man kann sie immer wieder wachsen lassen.“Das Gegenteil von samenfesten Tomaten sind sogenannte Hybridtomaten, die sich geschmacklich deutlich voneinander unterscheiden. Hybridtomaten sind Züchtungen in der ersten Generation. Nachbaufähig sind sie nicht, denn dann könnte die größtmögliche genetische Spaltung passieren. Im Anbau sind sie allerdings ertrag- reicher. Voll sind die Tomatenstöcke der Hybriden zu dieser Zeit, während bei Veronika Baumann der Ertrag von der Sorte abhängt.
Das Ochsenherz ist zwar nicht per se ertragreich, dafür ist aber jede Tomate für sich mächtig groß. Eine Tomate kann hier leicht 500 bis 600 Gramm wiegen. Cocktailtomaten, Datteltomaten oder die eine oder andere gelbe Sorte sind hingegen deutlich ertragreicher.
Samenfeste Tomaten, wie sie in Emersacker in einem großen Gewächshaus gedeihen, sind „süßer, fruchtiger und nicht so lätschig wie Hybridtomaten“, erklärt die Geschmacksexpertin. Und genau das veranlasse auch die Kunden dazu, bereits im März oder April nachzufragen, wann es wieder Tomaten aus dem Ökolandbau Hesch in Emersacker gebe. Selbst auf die erste Tomatensorte, die kleine frühe Fleischtomate, die es bereits ab Anfang Juli gibt, müssen sie dann noch warten. Eine andere Option gibt es für wahre Tomatenfreunde nicht – zu groß ist der Unterschied für diejenigen, die auf den Geschmack gekommen sind.
Selbst die im Urlaub erworbenen Bio-Tomaten konnten geschmacklich nicht mithalten, verrät Veronika Baumann. Sie waren zwar biozertifiziert, aber eben auch HybridTomaten – und wurden nach der Rückkehr aus dem Urlaub zu Tomatensuppe verarbeitet. Die zugegebenen Gewürze haben dann über den Geschmack hinweggeholfen.
Der Konsum von ausschließlich sortenreinen Tomaten bedeutet aber auch Verzicht oder eben saisonalen Konsum. Von Juli bis September wird der Geschmack feinster Tomaten genossen. Im Oktober reifen sie zwar noch nach, aber die Sonne fehlt – „und das wirkt sich auf das Aroma aus“, verrät die gelernte Altenpflegerin. Die grünen Tomaten gibt sie dann ab an eine Bekannte, die sie – angereichert mit Essig, Zwiebel und Dill – einlegt.
Zwischen Juli und September sorgt Veronika Baumann dafür, dass die Reifebedingungen für die Tomaten ideal sind. Sie sind angepflanzt in einem großen Gewächshaus, in dem es immer recht warm ist. „Das mögen Tomaten“, verrät Veronika Baumann, die die Vorlieben von Yellow Zebra, Banana Legs, Lucky Cross oder Striped Roman kennt. Regelmäßig wird durchgelüftet. Einmal in der Woche wird richtig gegossen. Verpasst die 63-Jährige den Zeitpunkt, an dem ihre Pflanzen Durst haben, dann sieht sie das gleich: Dann springt die Haut der Tomate auf, kurz nachdem sie sie gegossen hat.
Die 66 Tomatensorten von Veronika Baumann und ihrem Lebensgefährten Martin Hesch haben sich im Laufe von etwa 15 Jahren buchstäblich angesammelt. „Regelmäßig wird uns alter Samen gebracht“, erzählt die 63-Jährige. Aus Russland, Polen oder sogar Tunesien kommt die eine oder andere Sorte. So erklärt sich auch, dass auf der Liste der Tomatensorten manchmal auch nur steht: „Schwarze Tomate von Berta“oder „Rot/schwarz/violett. Frankreich. Emil“. Jede Sorte hat beim Ökolandbau Hesch also nicht nur einen intensiven Geschmack, sondern vor allem auch eine Geschichte.
Die Namen der Tomatensorten sind Veronika Baumann allerdings eher unwichtig. Ihr kommt es auf den Geschmack an und darauf, dass sie Kunden mit speziellen Geschmacksvorstellungen auch die passende Tomate empfehlen kann. Das tut sie regelmäßig im Hofladen an der Hauptstraße. Dort werden auch die anderen Gemüsesorten vom Ökolandbau Hesch verkauft. Im Ried werden beispielsweise auch Karotten, Kraut, Bohnen, Kohlrabi, Salat, Roggen, Kartoffeln, Auberginen, Gurken sowie Rote und Weiße Bete angebaut.
„Regelmäßig wird uns alter Samen gebracht.“Veronika Baumann