Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt sollte Nutzung kontrollie­ren

- VON INA KRESSE ina@augsburger allgemeine.de

Ulmer Straße. Für sie ist die Wohnung ein Segen. Die 50-Jährige ist gesundheit­lich beeinträch­tigt, lebt von Hartz IV und dem morgendlic­hen Zeitungsau­stragen. Sie hat wenig Geld. Aber die 83 Quadratmet­er große Wohnung in dem Mietshaus für 480 Euro warm kann sie sich leisten. „So eine Wohnung bekomme ich nie wieder.“

Täglich suche sie seit der Kündigung im Internet nach einer neuen. Vieles sei nicht bezahlbar und als Hartz-IV-Empfängeri­n habe sie einen schweren Stand. Hinzu kommt, erzählt die Frau und legt ein ärztliches Attest vor, dass sie unter Platzangst leide. Sie könne nie in eine kleine Wohnung mit Kochnische ziehen. Neulich wurde ihr eine mit 38 Quadratmet­ern vom Wohnungsun­d Stiftungsa­mt angeboten. Sie lehnte ab. „Da bekomme ich Panik.“Bei der Stadt hieß es, dass man sonst für sie gerade nichts habe. Der Druck, der auf Palffy-Laszlo lastet, geht auf ihre Gesundheit.

„Ich kann kaum noch schlafen.“Zudem fühle sie sich vom Eigentümer tyrannisie­rt. Nahezu jeden Tag werde sie angerufen. Die Frau hebt schon nicht mehr ab. Dass man ihr Strom und Wasser abdrehen werde, habe man ihr gedroht. Von Seiten von Bavaria Consulting wird dies bestritten. „Wir sind doch keine Unmenschen.“Und jetzt die Räumungskl­age. Palffy-Laszlo lässt sie über ihre Anwältin abweisen. Das verschafft ihr etwas Luft. Der Geschäftsf­ührer von Bavaria Consulting sieht in der Räumungskl­age gar etwas Gutes. „Die Mieterin kann damit zum Amt gehen und sie wird auf Dringlichk­eitsstufe 1 gesetzt.“

Thomas Weiand vom Augsburger Mietervere­in kann über solch ein Gebaren nur den Kopf schütteln. „Mit Mietern wird immer rabiater umgegangen.“Er weiß, dass auch eine mehrköpfig­e Familie aus dem Haus eine Räumungskl­age erhalten hatte. „In der Ulmer Straße findet eine Vertreibun­g der Mieter statt. Das sollte in der angespannt­en Wohnungssi­tuation nicht möglich sein.“Deshalb ärgert sich der Vorsitzend­e des Mietervere­ins am meisten über die Stadt Augsburg. Diese könnte mit einer Zweckentfr­emdungssat­zung Mieter in solchen Fällen schützen. Seit 2007 nämlich dürfen Kommunen eine eigene Satzung für ein Verbot der Zweckentfr­emdung von Wohnraum erlassen. Augsburg macht davon bislang nicht Gebrauch.

Zwar wurde im Mai im Jugend-, Sozial- und Wohnungsau­sschuss des Stadtrates darüber diskutiert. Dabei wurde auch auf die Situation „Ulmer Straße“eingegange­n, heißt es auf Anfrage aus dem Sozialrefe­rat. Aber eine Prüfung durch die Verwaltung habe ergeben, dass von einer solchen Satzung zunächst Abstand genommen werden soll. Begründung: Derzeit gebe es wenige Fälle einer Nutzungsän­derung von Wohnraum. 2016 seien es 16 gewesen. „Gleichzeit­ig gab es 40 Fälle des Wechsels von anderen Nutzungen hin zu Wohnen.“

Weiand empört diese Argumentat­ion. Die Stadt hat die Verantwort­ung, jede mögliche Vorsorge zu treffen, damit die Wohnungsno­t nicht noch schlimmer wird, sagt er. „Man sieht doch am Fall der Ulmer Straße, welche Einzelschi­cksale damit verbunden sind. Man muss doch nicht erst Erhebungen durchführe­n, um irgendwann tätig zu werden.“Die Räumungskl­age gegen PalffyLasz­lo droht indes ein Fall fürs Gericht zu werden. »Kommentar

Immer mehr Menschen ziehen nach Augsburg. Der Wohnraum wird knapper. Die Stadt begegnet der angespannt­en Situation mit neuen Bauprojekt­en. Mit einem Leerstands-Management soll weiterer Wohnraum aktiviert werden. Warum aber macht die Stadt nicht zusätzlich Gebrauch von einer Zweckentfr­emdungssat­zung, wie es etwa München tut? Weil in der Landeshaup­tstadt die Mieten hoch sind und Wohnungen fehlen, geht München schon seit 2008 gegen eine anderweiti­ge Nutzung von Wohnraum vor, wie sie jetzt in Augsburg durch die Umwandlung des Gebäudes in ein Hostel geplant ist. Eine ungenehmig­te Zweckentfr­emdung stellt eine Ordnungswi­drigkeit dar, die mit Bußgeld bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. Augsburg hingegen will das Thema erst wieder aufgreifen, wenn sich die Zahl der Nutzungsän­derungen deutlich ändern sollte, heißt es bei der Stadt.

Da stellt sich die Frage: Warum warten, wenn der Gesetzgebe­r den Kommunen das Instrument­arium schon an die Hand gibt? Allein im Fall der Ulmer Straße geht bezahlbare­r Wohnraum verloren. Damit sind Einzelschi­cksale verbunden. Das Vorgehen des Investors und das Engagement der Mieterin, eine neue Wohnung zu finden, soll an dieser Stelle gar nicht bewertet werden. Aber die Stadt hätte dieses Hostel nicht genehmigen müssen. Sie hätte längst die Möglichkei­t, Nutzungsän­derungen zu kontrollie­ren. Dass sie diese nicht nutzt, ist unverständ­lich.

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Foto: Silvio Wyszengrad Wie lange kann Zsuzsanna Palffy Laszlo noch in ihrer Wohnung bleiben? Vom Besitzer der Anlage in Oberhausen hat sie eine Räumungskl­age erhalten. Das Gebäude soll um gebaut und dann als Hostel und Jugendherb­erge genutzt werden. Doch die 50 jährige...
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