Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Stadt sollte Nutzung kontrollieren
Ulmer Straße. Für sie ist die Wohnung ein Segen. Die 50-Jährige ist gesundheitlich beeinträchtigt, lebt von Hartz IV und dem morgendlichen Zeitungsaustragen. Sie hat wenig Geld. Aber die 83 Quadratmeter große Wohnung in dem Mietshaus für 480 Euro warm kann sie sich leisten. „So eine Wohnung bekomme ich nie wieder.“
Täglich suche sie seit der Kündigung im Internet nach einer neuen. Vieles sei nicht bezahlbar und als Hartz-IV-Empfängerin habe sie einen schweren Stand. Hinzu kommt, erzählt die Frau und legt ein ärztliches Attest vor, dass sie unter Platzangst leide. Sie könne nie in eine kleine Wohnung mit Kochnische ziehen. Neulich wurde ihr eine mit 38 Quadratmetern vom Wohnungsund Stiftungsamt angeboten. Sie lehnte ab. „Da bekomme ich Panik.“Bei der Stadt hieß es, dass man sonst für sie gerade nichts habe. Der Druck, der auf Palffy-Laszlo lastet, geht auf ihre Gesundheit.
„Ich kann kaum noch schlafen.“Zudem fühle sie sich vom Eigentümer tyrannisiert. Nahezu jeden Tag werde sie angerufen. Die Frau hebt schon nicht mehr ab. Dass man ihr Strom und Wasser abdrehen werde, habe man ihr gedroht. Von Seiten von Bavaria Consulting wird dies bestritten. „Wir sind doch keine Unmenschen.“Und jetzt die Räumungsklage. Palffy-Laszlo lässt sie über ihre Anwältin abweisen. Das verschafft ihr etwas Luft. Der Geschäftsführer von Bavaria Consulting sieht in der Räumungsklage gar etwas Gutes. „Die Mieterin kann damit zum Amt gehen und sie wird auf Dringlichkeitsstufe 1 gesetzt.“
Thomas Weiand vom Augsburger Mieterverein kann über solch ein Gebaren nur den Kopf schütteln. „Mit Mietern wird immer rabiater umgegangen.“Er weiß, dass auch eine mehrköpfige Familie aus dem Haus eine Räumungsklage erhalten hatte. „In der Ulmer Straße findet eine Vertreibung der Mieter statt. Das sollte in der angespannten Wohnungssituation nicht möglich sein.“Deshalb ärgert sich der Vorsitzende des Mietervereins am meisten über die Stadt Augsburg. Diese könnte mit einer Zweckentfremdungssatzung Mieter in solchen Fällen schützen. Seit 2007 nämlich dürfen Kommunen eine eigene Satzung für ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Augsburg macht davon bislang nicht Gebrauch.
Zwar wurde im Mai im Jugend-, Sozial- und Wohnungsausschuss des Stadtrates darüber diskutiert. Dabei wurde auch auf die Situation „Ulmer Straße“eingegangen, heißt es auf Anfrage aus dem Sozialreferat. Aber eine Prüfung durch die Verwaltung habe ergeben, dass von einer solchen Satzung zunächst Abstand genommen werden soll. Begründung: Derzeit gebe es wenige Fälle einer Nutzungsänderung von Wohnraum. 2016 seien es 16 gewesen. „Gleichzeitig gab es 40 Fälle des Wechsels von anderen Nutzungen hin zu Wohnen.“
Weiand empört diese Argumentation. Die Stadt hat die Verantwortung, jede mögliche Vorsorge zu treffen, damit die Wohnungsnot nicht noch schlimmer wird, sagt er. „Man sieht doch am Fall der Ulmer Straße, welche Einzelschicksale damit verbunden sind. Man muss doch nicht erst Erhebungen durchführen, um irgendwann tätig zu werden.“Die Räumungsklage gegen PalffyLaszlo droht indes ein Fall fürs Gericht zu werden. »Kommentar
Immer mehr Menschen ziehen nach Augsburg. Der Wohnraum wird knapper. Die Stadt begegnet der angespannten Situation mit neuen Bauprojekten. Mit einem Leerstands-Management soll weiterer Wohnraum aktiviert werden. Warum aber macht die Stadt nicht zusätzlich Gebrauch von einer Zweckentfremdungssatzung, wie es etwa München tut? Weil in der Landeshauptstadt die Mieten hoch sind und Wohnungen fehlen, geht München schon seit 2008 gegen eine anderweitige Nutzung von Wohnraum vor, wie sie jetzt in Augsburg durch die Umwandlung des Gebäudes in ein Hostel geplant ist. Eine ungenehmigte Zweckentfremdung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. Augsburg hingegen will das Thema erst wieder aufgreifen, wenn sich die Zahl der Nutzungsänderungen deutlich ändern sollte, heißt es bei der Stadt.
Da stellt sich die Frage: Warum warten, wenn der Gesetzgeber den Kommunen das Instrumentarium schon an die Hand gibt? Allein im Fall der Ulmer Straße geht bezahlbarer Wohnraum verloren. Damit sind Einzelschicksale verbunden. Das Vorgehen des Investors und das Engagement der Mieterin, eine neue Wohnung zu finden, soll an dieser Stelle gar nicht bewertet werden. Aber die Stadt hätte dieses Hostel nicht genehmigen müssen. Sie hätte längst die Möglichkeit, Nutzungsänderungen zu kontrollieren. Dass sie diese nicht nutzt, ist unverständlich.