Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sperrschilder gelten nicht für alle
Baustelle Welche Auswirkungen die Bauarbeiten in Zusamaltheim auf die Geschäfte haben. Viele sind unzufrieden mit der Beschilderung. Warum die Tierärztin kaum Probleme hat
Zusamaltheim Eine ältere Dame ruft verzweifelt bei der Tierarztpraxis in Zusamaltheim an. Sie habe einen Notfall, wisse aber nicht, wie sie in den Ort gelangen kann. Auf ihrem Beifahrersitz liegt eine verletzte Katze, die angefahren wurde und nun dringend versorgt werden muss. Sie sei schon um das ganze Dorf gefahren, ende aber jedes Mal vor einem Sperrschild und komme nicht weiter. Diesen Anruf habe sie vor einigen Wochen bekommen, sagt die Tierärztin Katja von Schlippenbach aus Zusamaltheim.
Grund für die Sperrung ist der Kreuzungsumbau in der Wertinger Straße in Zusamaltheim, der bis in die Untere und Obere Dorfstraße hineinragt. Hier wird ein Kreisverkehr entstehen. Auch die Kanäle und Trinkwasserleitungen sind dort ausgetauscht worden. Der Bau, dessen Gesamtkosten auf etwa 750000 Euro geschätzt wird, beinhaltet außerdem eine Umgestaltung des Umfelds. So entstehen neben dem Kreisverkehr beispielsweise neue Bushaltestellen.
Schon seit Juni 2017 laufen die Bauarbeiten und werden voraussichtlich noch bis Dezember dieses Jahres dauern. Dass der Umbau dann wirklich abgeschlossen ist, hoffen viele Anwohner, wie beispielsweise Anneliese und Josef Ilg.
Das Ehepaar betreibt in Zusamaltheim unmittelbar vor der Baustelle einen Biohofladen. Sie sind sehr unglücklich mit der derzeitigen „Unsere Kundschaft ist seit Baubeginn stark zurückgegangen“, sagt Anneliese Ilg. Grund dafür ist ihrer Meinung nach die Beschilderung, die auf die Baustelle hinweist. „Laut dieser kommt man von Wertingen aus nur bis nach Roggden, und das verunsichert unsere Kunden“, sagt sie. Dabei wird vor dem Ortsschild von Zusamaltheim darauf hingewiesen, dass Anliegern eine freie Durchfahrt erlaubt ist. „Unsere Kunden zählen zu den Anliegern“, betont Anneliese Ilg. Auch in ihr am Hofladen angeschlossenes Café kommen nicht mehr so viele Gäste, sagt Ilg. Durch die Bauarbeiten werde das gemütliche Ambiente durcheinandergebracht. „Der Lärm und die Container stören die Leute“, sagt die Geschäftsführerin.
Auch für Gabriele Gerblinger stellt die Baustelle im Ortskern von Zusamaltheim ein Problem dar. Sie betreibt das Café und den Teeladen „Gabis Nest“in der Unteren Dorfstraße. Gerblinger berichtet von einem enormen Rückgang ihrer Kundschaft seit Juni. Mit der Beschilderung vor Zusamaltheim ist sie sehr unzufrieden. Ihrer Meinung nach haben ihre Kunden nicht verstanden, dass sie trotz der Baustelle problemlos zu ihrem Geschäft gelangen können. Verärgert berichtet sie, dass ihre Kunden aus Zusmarshausen und Violau nun ihren Tee in Augsburg kaufen würden, da ihnen die Anfahrt nach Zusamaltheim zu kompliziert sei. „Nach dem Umbau kann ich mit meiner Werbung wieder bei null anfangen“, erklärt sie. Außerdem befürchtet Gabriele Gerblinger, dass die Bauarbeiten im Dezember keineswegs abgeschlosSituation. sen sein werden und ihre Kundschaft im Winter ganz ausbleiben wird. Dabei sei die kalte Jahreszeit gewöhnlich die umsatzstärkste Zeit in ihrem Café. Sie weiß, dass sich viele Anwohner beschweren, da es nun mehr Verkehr in ihrem Wohngebiet gebe. „Diese Menschen stört die Baustelle, meine Existenz hängt davon ab.“Nicht betroffen von den Auswirkungen der Baustelle ist Johann Hosemann. In seinem Geschäft für Raumausstattung merke er keine Veränderung, was die Kundschaft angehe, sagt er.
Auch die Tierärztin Katja von Schlippenbach merke keinen großen Unterschied in ihrer Praxis. Nur sehr selten komme es vor, dass jemand wegen der Baustelle einen anderen Tierarzt wählen würde. „Die Termine werden telefonisch vereinbart und dann erklären wir, wie man am besten zur Praxis gelangt“, sagt sie. Außerdem gibt es auf der Internetseite der Tierarztpraxis einen Hinweis auf die Baustelle und eine Anfahrtsskizze. Jedoch müsse man an den Sperrschildern, die an den Ortsenden stehen, vorbeifahren. Da denken manche, dass es sich dabei um eine illegale Anfahrt handle, sagt die Tierärztin, was nicht stimme. Letztendlich tauche das Problem nur auf, wenn es einen Notfall gebe und die Menschen nicht über die Sperrung Bescheid wüssten. Erfolglos würden diese dann nach einem anderen Weg – ohne Sperrschild – in das Dorf suchen und womöglich unnötig wichtige Zeit für das Tier verschwenden, sagt von Schlippenbach. „Dann kommt es zu solchen verzweifelten Anrufen“, sagt sie, wie der Hilferuf der älteren Dame mit der verletzten Katze.