Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Heimliche Invasion im Tierreich
Umwelt Wie sich Arten von anderen Kontinenten breitmachen. Naturschützer warnen vor „ökologischen Zeitbomben“
Landkreis Augsburg Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist ein fieser Holzschädling. Ihm fallen gesunde Eschen, Ahorn- und andere Laubbäume zum Opfer. Seine Larven bohren sich immer tiefer in den Baum, bis er abstirbt. Wie schnell sich der Käfer ausbreiten kann, konnte vor drei Jahren in Schönebach an der Landkreisgrenze bei Dinkelscherben besichtigt werden.
Dort waren mehrere Bäume befallen und somit dem Tode geweiht. Um das Insekt zu stoppen, blieb nur der Kahlschlag: Alle Laubbäume im Umkreis von 100 Metern mussten zum Schutz für weitere Baumbestände gefällt werden. Suchhunde fahndeten nach Käferlarven, am Ende landete das Holz in der Müllverbrennung.
Selten ist das Auftreten eines neuen Tieres so auffällig. Meist machen sich die tierischen Einwanderer heimlich still und leise in den heimischen Fluren breit. Nach Expertenangaben gibt es inzwischen 1800 invasive Tierarten in der Europäischen Union.
Zu diesen gehören in Schwaben der aus Asien stammende und als kannibalisch geltende Blaubandbärbling oder die Schwarzkopfruderente, welche die vor allem im Süden Europas vorkommende Weißkopfruderente verdrängt.
Bärbling ist ein bis zu zehn Zentimeter langer Fisch, der ursprünglich im Jangtsekiang schwamm. Vermutlich über Rumänien fand er seinen Weg nach Deutschland und plündert dort die Laiche.
Wolfgang Kuhlmann von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt in Augsburg beschreibt, auf welchem Weg die tierischen Zuwanderer ins Land kamen: „Meist ist der Mensch schuld an der Ausbreitung dieser Tiere.“So sei der Asiatische Laubholzbockkäfer über den globalen Warenhandel aus China hierher gelangt, in diesem Fall durch Holzimporte.
Andere Tiere wie die Bisamratte, der Waschbär oder der Marderhund wurden frei gelassen, weil sie für die Pelzfarmen nicht mehr gewinnbringend genug gewesen seien, so Kuhlmann. Bei Wassertieren gebe es ähnliche Probleme.
Viele Besitzer würden ihre Barsche, Goldfische, aber auch Wasserschildkröten in die Freiheit entlassen, wenn die Tiere zu groß oder zu zahlreich werden. Diese Erfahrung mussten vor sechs Jahren bereits Fischer aus der Region machen. Sie angelten im Eisweiher bei Emersacker, als plötzlich eine rotwangige Schmuckschildkröte anbiss, die eigentlich in Florida zu Hause ist und unter Artenschutz steht. Ins Land kamen die Tiere wohl über einen Tierschmuggel im Jahr 1996. Dieser war aufgeflogen, die Tiere wurden bei einem Augsburger Tierhändler zwischen gelagert.
Weil nicht klar war, wo die 1300 noch lebenden Schildkröten hinsollten, wurden sie an Tierliebhaber abgegeben, von denen wiederum manche Schildkröten in die Freiheit entließen – so zumindest die Vermutung.
Im Augsburger Land treten Waschbär (ursprünglich aus Nordamerika) und Marderhund (Sibirien/China/Japan) verstärkt auf, so Kuhlmann. Davon seien im letzten Jagdjahr insgesamt acht Exemplare erlegt worden. Diese sind vor allem darum unerwünscht, weil sie heimische Raubtiere verdrängen und geschützte Vogelarten gefährden.
Ein weiteres Problem, das sich aus der Ausbreitung invasiver Arten ergebe, sei unter anderem die Verarmung des Artenspektrums. Den heimischen Tieren werde die Nahrung streitig gemacht. Die Übertra- von Krankheiten und das Massensterben heimischer Arten gehören ebenfalls dazu. So habe der Amerikanische Krebs zum Sterben der heimischen Edel- und Steinkrebse geführt. Naturschützer bezeichnen die unerwünschten ZuDer wanderer ins Tierreich deshalb als „ökologische Zeitbomben.“
Das Europäische Parlament hat diese Problematik ebenfalls erkannt: Seit drei Jahren gibt es eine EU– weite Liste mit mittlerweile 49 unerwünschten Arten. Neben Importgung und Haltungsverboten sollen die Tiere notfalls auch getötet werden, um ihre Verbreitung einzudämmen. Das wiederum will der Deutsche Tierschutz verhindern und droht mit rechtlichen Schritten.