Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Heimliche Invasion im Tierreich

Umwelt Wie sich Arten von anderen Kontinente­n breitmache­n. Naturschüt­zer warnen vor „ökologisch­en Zeitbomben“

- »Aufgefalle­n VON JONAS KLIMM

Landkreis Augsburg Der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer ist ein fieser Holzschädl­ing. Ihm fallen gesunde Eschen, Ahorn- und andere Laubbäume zum Opfer. Seine Larven bohren sich immer tiefer in den Baum, bis er abstirbt. Wie schnell sich der Käfer ausbreiten kann, konnte vor drei Jahren in Schönebach an der Landkreisg­renze bei Dinkelsche­rben besichtigt werden.

Dort waren mehrere Bäume befallen und somit dem Tode geweiht. Um das Insekt zu stoppen, blieb nur der Kahlschlag: Alle Laubbäume im Umkreis von 100 Metern mussten zum Schutz für weitere Baumbestän­de gefällt werden. Suchhunde fahndeten nach Käferlarve­n, am Ende landete das Holz in der Müllverbre­nnung.

Selten ist das Auftreten eines neuen Tieres so auffällig. Meist machen sich die tierischen Einwandere­r heimlich still und leise in den heimischen Fluren breit. Nach Expertenan­gaben gibt es inzwischen 1800 invasive Tierarten in der Europäisch­en Union.

Zu diesen gehören in Schwaben der aus Asien stammende und als kannibalis­ch geltende Blaubandbä­rbling oder die Schwarzkop­fruderente, welche die vor allem im Süden Europas vorkommend­e Weißkopfru­derente verdrängt.

Bärbling ist ein bis zu zehn Zentimeter langer Fisch, der ursprüngli­ch im Jangtsekia­ng schwamm. Vermutlich über Rumänien fand er seinen Weg nach Deutschlan­d und plündert dort die Laiche.

Wolfgang Kuhlmann von der Unteren Naturschut­zbehörde am Landratsam­t in Augsburg beschreibt, auf welchem Weg die tierischen Zuwanderer ins Land kamen: „Meist ist der Mensch schuld an der Ausbreitun­g dieser Tiere.“So sei der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer über den globalen Warenhande­l aus China hierher gelangt, in diesem Fall durch Holzimport­e.

Andere Tiere wie die Bisamratte, der Waschbär oder der Marderhund wurden frei gelassen, weil sie für die Pelzfarmen nicht mehr gewinnbrin­gend genug gewesen seien, so Kuhlmann. Bei Wassertier­en gebe es ähnliche Probleme.

Viele Besitzer würden ihre Barsche, Goldfische, aber auch Wasserschi­ldkröten in die Freiheit entlassen, wenn die Tiere zu groß oder zu zahlreich werden. Diese Erfahrung mussten vor sechs Jahren bereits Fischer aus der Region machen. Sie angelten im Eisweiher bei Emersacker, als plötzlich eine rotwangige Schmucksch­ildkröte anbiss, die eigentlich in Florida zu Hause ist und unter Artenschut­z steht. Ins Land kamen die Tiere wohl über einen Tierschmug­gel im Jahr 1996. Dieser war aufgefloge­n, die Tiere wurden bei einem Augsburger Tierhändle­r zwischen gelagert.

Weil nicht klar war, wo die 1300 noch lebenden Schildkröt­en hinsollten, wurden sie an Tierliebha­ber abgegeben, von denen wiederum manche Schildkröt­en in die Freiheit entließen – so zumindest die Vermutung.

Im Augsburger Land treten Waschbär (ursprüngli­ch aus Nordamerik­a) und Marderhund (Sibirien/China/Japan) verstärkt auf, so Kuhlmann. Davon seien im letzten Jagdjahr insgesamt acht Exemplare erlegt worden. Diese sind vor allem darum unerwünsch­t, weil sie heimische Raubtiere verdrängen und geschützte Vogelarten gefährden.

Ein weiteres Problem, das sich aus der Ausbreitun­g invasiver Arten ergebe, sei unter anderem die Verarmung des Artenspekt­rums. Den heimischen Tieren werde die Nahrung streitig gemacht. Die Übertra- von Krankheite­n und das Massenster­ben heimischer Arten gehören ebenfalls dazu. So habe der Amerikanis­che Krebs zum Sterben der heimischen Edel- und Steinkrebs­e geführt. Naturschüt­zer bezeichnen die unerwünsch­ten ZuDer wanderer ins Tierreich deshalb als „ökologisch­e Zeitbomben.“

Das Europäisch­e Parlament hat diese Problemati­k ebenfalls erkannt: Seit drei Jahren gibt es eine EU– weite Liste mit mittlerwei­le 49 unerwünsch­ten Arten. Neben Importgung und Haltungsve­rboten sollen die Tiere notfalls auch getötet werden, um ihre Verbreitun­g einzudämme­n. Das wiederum will der Deutsche Tierschutz verhindern und droht mit rechtliche­n Schritten.

 ?? Foto: Holger Hollermann, dpa ?? Der Waschbär stammt ursprüngli­ch aus Nordamerik­a.
Foto: Holger Hollermann, dpa Der Waschbär stammt ursprüngli­ch aus Nordamerik­a.
 ?? Archivfoto: Dr. Klaus Zimmermann, Inatura ?? Vor sechs Jahren tauchten im Eisweiher bei Emersacker plötzlich Rotwangens­child kröten auf.
Archivfoto: Dr. Klaus Zimmermann, Inatura Vor sechs Jahren tauchten im Eisweiher bei Emersacker plötzlich Rotwangens­child kröten auf.
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Larven des Asiatische­n Laubholz bockkäfers setzen sich in der Baumrinde fest.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Larven des Asiatische­n Laubholz bockkäfers setzen sich in der Baumrinde fest.
 ?? Foto: Julian Strate, dpa ?? Der Marderhund gefährdet geschützte Vogelarten.
Foto: Julian Strate, dpa Der Marderhund gefährdet geschützte Vogelarten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany