Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weg vom Wachstumsdogma
Bundestagswahl Constanze von Tucher tritt für die ÖDP an. Warum die Stätzlingerin das trotz geringer Erfolgsaussichten für wichtig hält
Aichach Friedberg Gerade mal einen Abgeordneten auf überörtlicher Ebene hat die ÖDP – im EU-Parlament. Im Bundestag ist die Partei jedoch ebenso wenig vertreten wie in einem der deutschen Länderparlamente. Und selbst die Bundesvorsitzende Gabriele Schimmer-Göresz dürfte nur ganz überzeugten Anhängern bekannt sein. Warum also lässt sich jemand angesichts so geringer Erfolgsaussichten als Kandidatin aufstellen? „Natürlich haben wir realistische Vorstellungen, aber uns ist jede Stimme wichtig. Es ist ein Gewinn für unsere Inhalte, wenn die anderen Stimmen verlieren“, sagt Constanze von Tucher, die für die ÖDP im Wahlkreis AugsburgLand als Bundestagskandidatin antritt.
Für ökologische und soziale Themen hat sich die gebürtige Stätzlingerin schon immer interessiert. Gerne nimmt sie Bücher über Psychologie und gesellschaftliche Themen zur Hand. Die drei Kinder sind inzwischen erwachsen, und so hatte die 57-Jährige Zeit, sich stärker zu engagieren. Der bundesweit rund 6000 Mitglieder zählenden Partei sei sie beigetreten, weil sie dort ganzheitlichere und konservativere Ansätze fand als bei anderen Ökoparteien, berichtet Constanze von Tucher. Seit zwei Jahren ist sie Kreisvorsitzende im Wittelsbacher Land, wo die ÖDP im Kreistag und Friedberger Stadtrat mit jeweils einem Sitz präsent ist.
Aus dem ganzheitlichen Ansatz heraus hat die Partei Positionen zu einer Vielzahl von Themen entwickelt – sei es Familie, Verkehr, Bildung oder Verbraucherschutz. Als große Linie steht dahinter: „Wir müssen schauen, dass wir vom Wachstumsdogma wegkommen“, sagt die Bundestagskandidatin. Darum kämpft sie gegen den Bau der Augsburger Osttangente ebenso wie für eine regionale Landwirtschaft ohne Massentierhaltung, gegen Mobilfunkmasten ebenso wie für ein einkommensunabhängiges Erziehungsgehalt. Zu den Grundsätzen der ÖDP gehört auch, keine Konzernspenden anzunehmen, um die Unabhängigkeit ihrer Politik garantieren zu können. Auch wenn die ÖDP keine politische Prominenz für ihren Wahlkampf aufbieten kann, so zeigt sie doch Präsenz mit Veranstaltungen zu Schwerpunktthemen. So gab es einen Vortrag auf dem Biobauernhof zur Landwirtschaft, einen Infoabend zum besseren Müllkonzept, eine Unterschriftensammlung gegen das Freihandelsabkommen Ceta und auch eine Radtour entlang des möglichen Verlaufs der Osttangente steht auf dem Programm. „Die welt-, europa- und bundespolitischen Themen lassen sich so auf eine lokale Ebene herunterbrechen“, glaubt Constanze von Tucher. Nicht selten sucht der 50 Mitglieder zählende Kreisverband dabei die Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen. „Es ist gut, wenn man sich zusammenschließt“, findet die Kreisvorsitzende. Schließlich seien dann auch größere Parteien darauf bedacht, diese Interessen aufzunehmen. Auf Umwegen finden dann sogar Positionen der kleinen ÖDP Eingang in die große Politik. Constanze von Tucher erinnert an die erfolgreichen Initiativen ihrer Partei zum Rauchverbot oder zur Abschaffung des bayerischen Senats. Abwechslung von der Politik und von der Arbeit als Lehrerin an der Realschule in Meitingen findet Constanze von Tucher zu Hause in Stätzling. Dort lockt ein großer Garten, in dem sie auch selbst Gemüse anbaut.