Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So wenig Geld, so viel zu tun
Halbzeitbilanz In Dinkelscherben stehen einige Millionenprojekte an. Doch die Finanzen sind knapp. Warum Bürgermeister Edgar Kalb trotzdem nicht nur sparen will und welche Sorgen ihm das Waldfreibad macht
Dinkelscherben Unter den vier Bürgermeisterkandidaten in Dinkelscherben hat es vor drei Jahren Edgar Kalb als Kandidat der neuen Unabhängigen Wählergruppe (UW 14) auf den Chefsessel geschafft. Anfangs hatte er es nicht leicht, im Marktrat wurde es oft laut und es gab knappe Abstimmungen. Mittlerweile verlaufen die Sitzungen ruhiger. Und Kalb sagt: „Mit dem Gemeinderat kann man sehr gut arbeiten.“Das ist seine Halbzeitbilanz:
Was haben Sie in den ersten drei Jahren geschafft?
● Kanal Ende 2017 sollen alle Orte im Gemeindegebiet an den Kanal angeschlossen sein. Als Letztes beginnen nun nach einer Verzögerung die Bauarbeiten in Holzara. ● Wohnen Im Baugebiet Baumgärtle sind alle 24 Bauplätze verkauft. Im Neubaugebiet Grünenbaindt beginnt die Erschließung. ● Gewerbe Viele Jahre hat sich auf dem ehemaligen Ferrum-Gelände nichts getan. Dort soll ein Gewerbegebiet entstehen, die Erschließung wird nun ausgeschrieben. Mehrere Interessenten hätten sich schon gemeldet. Einen Vorvertrag gebe es mit der Firma Asepto. Der Anlagenbauer, der in der Bahnhofstraße ein Büro hat, wolle nächstes Frühjahr dort eine Fertigung bauen.
● Bauhof Die Gemeinde hat für etwa eine Million Euro einen neuen Bauhof gebaut. Er wird demnächst offiziell eingeweiht.
● Bahnhof Die Sanierung im ehemaligen Bahnhofsgebäude läuft gerade. Dort entstehen zwei Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge. Sie sollen im Frühjahr fertig sein, sagt Kalb. „Dann zieht endlich wieder Leben in den Bahnhof ein.“
● Sporthalle Seit vielen Jahren wird über die Sanierung der Sporthalle diskutiert. 2016 kam der Durchbruch: Man fand doch noch alte Ak- die beweisen, dass das Gebäude in den Siebzigerjahren als Dreifachhalle genehmigt wurde. So bekommt die Gemeinde nun deutlich mehr Fördergelder für das 3,9-Millionen-Euro Projekt. Die Bauarbeiten sollen nächstes Jahr beginnen.
Was hat nicht gut geklappt?
● Verkehr Die Kreuzung Markt-, Bahnhof- und Augsburger Straße ist der zentrale Knotenpunkt mit jeder Menge Verkehr. Kalb sagt, er versuche seit zwei Jahren, eine Querungshilfe (zum Beispiel einen Zebrastreifen) zu bekommen – ohne Erfolg. Es gibt nämlich Vorgaben, wie viele Menschen die Straße überqueren müssen, damit das von den Behörden genehmigt wird. „Dass alte Leute mit ihrem Rollator da ewig warten müssen, zählt nicht. Wer schafft solche saublöden Richtlinien?“
● Bürokratie Dass in der Kommune vieles anders läuft als in der Privat- merkt Kalb zum Beispiel bei Auftragsvergaben für den Bauhof oder die Feuerwehr. Oft fühlt er sich ausgebremst. „Komplizierter als das öffentliche Vergaberecht könnte die Welt nicht mehr sein“, sagt er. „Manchmal bin ich verärgert, wie da sinnlos Geld auf den Putz gehaut wird. Da dreht’s jedem privatwirtschaftlich Denkendem den Magen um.“Planungsbüros seien teuer, oft aber nötig, um überhaupt eine Förderung zu bekommen. Bei Vergaben an Handwerker dürfe er nicht nachverhandeln und im öffentlichen Dienst keine außertariflichen Zulagen zahlen – alles Dinge, die er aus seiner Zeit beim Flugzeugbauer Premium Aerotec anders kennt.
Was sind die größten Herausforderungen?
● Wasser Die Arbeiten für die neue Wasserversorgung haben begonnen. Im Schmeller Forst wurden vier Brunnen gebaut, nachdem die urten, sprünglich geplanten zwei nicht die erhoffte Leistung gebracht hatten. Ende Oktober soll der Abschlussbericht des Geologen vorliegen, dann könne man die Leitungen und eine eventuell nötige Aufbereitung planen. Ihm sei es wichtig, bei diesem „Mammutprojekt“keinen Zeitstress zu generieren, sagt Kalb: „Das muss ja Jahrzehnte halten.“An den Gesamtkosten von mindestens sechs Millionen Euro müssen sich auch die Bürger beteiligen.
● Umgehung Im Frühjahr hat die Gemeinde die Umgehungsstraße offiziell beim Landratsamt und dem Staatlichen Bauamt beantragt. „Ich fürchte, es könnte schwierig werden“, sagt Kalb. „Aber es ist überlebenswichtig für den Ort. Wir müssen da unbedingt dranbleiben.“
● Finanzen Der Markt ist mit fast acht Millionen Euro verschuldet. Kalb sagt, in der Gemeinde sei „Finanzverstand über ein Jahrzehnt lang nicht wirklich vorhanden“gewirtschaft, wesen. Er will nicht nur auf die Ausgaben schauen und sparen, sondern vor allem die Einnahmenseite optimieren. So seien über Jahre viel zu geringe Wassergebühren verlangt worden und Straßen erst fünf Jahre nach der Fertigstellung abgerechnet worden, die Grundsteuer sei mehr als 15 Jahre nicht erhöht worden.
● Freibad Sorgen macht Kalb das Waldfreibad. „Die Besucherzahlen sinken kontinuierlich.“Zwar wurde das Schwimmbecken mal erneuert, doch sonst habe sich seit der Eröffnung 1964 nicht viel verändert. Das Bad müsse deutlich attraktiver werden, damit mehr Besucher kommen – und die Gemeinde den Betrieb aufrecht erhalten kann. Der Gemeinderat hat beschlossen, das Kinderbecken und das Gebäude mit Sanitäranlagen und Umkleiden zu erneuern, aber das reicht dem Bürgermeister nicht. Er denkt etwa an eine besondere Rutsche, die ein Anziehungspunkt sein könnte. »Kommentar