Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ausgestreckter Mittelfinger und kaputte Scheibe
Justiz Ein Brummifahrer soll einen Kollegen beleidigt und ein Führerhaus eines anderen Lastwagens beworfen haben. Es gibt Zweifel
Donauwörth/Augsburg Nötigung, Beleidigung, Sachbeschädigung – die Liste der Vorwürfe gegen einen 29-jährigen Lastwagenfahrer aus Franken ist lang. Nun musste er sich vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten. Schauplatz der Vergehen war die B2 im Mai des vergangenen Jahres: Der Angeklagte war mit seinem Sattelschlepper zwischen Kaisheim und Mertingen unterwegs, als ein weiterer Lastwagenfahrer vor ihm im zweispurigen Bereich einen Roller überholte. Der Beschuldigte soll daraufhin mehrfach dicht aufgefahren sein und die Lichthupe betätigt haben.
Auf der vierspurigen Fahrbahn auf Höhe Donauwörth fuhr der Angeklagte schließlich an seinem Berufskollegen vorbei, zeigte ihm den ausgestreckten Mittelfinger und scherte so knapp vor dem Opfer wieder ein, dass dieses stark abbremsen musste. So zumindest lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Aber damit nicht genug: Nur kurze Zeit nach diesem Zwischenfall soll der Beschuldigte mehrfach erfolglos versucht haben, einen Kipplader zu überholen. Als der 29-Jährige auf Höhe der Ausfahrt Herbertshofen schließlich neben dem zweiten Opfer fuhr, soll er harte Gegenstände aus seinem Führerhaus gegen die Windschutzscheibe des anderen Lastwagens geworfen haben. Dabei entstand ein Schaden von rund 750 Euro.
Rechtsanwalt Andreas Riedl machte während der Verhandlung deutlich, dass sich sein Mandant keiner Schuld bewusst ist. Ganz im Gegenteil: Der Angeklagte habe bei der Spedition des zweiten Lastwagens angerufen, da dieser ihn ausgebremst habe.
Die Aussagen der beiden Opfer deckten sich weitestgehend mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Der 65-jährige Geschädigte des ersten Vorfalls bestätigte, dass ihm der Mittelfinger gezeigt worden sei. „Nach dem Überholvorgang hat mich der Angeklagte geschnitten. Ich musste so stark bremsen, dass meine Reifen qualmten“, erinnerte sich der Brummifahrer. Anschließend habe er in einem Abstand von rund 100 Metern den zweiten Vorfall beobachten können. Dabei sei ihm aufgefallen, dass ein dunkler Gegenstand aus dem Führerhaus des Angeklagten auf den Kipplader des zweiten Opfers geflogen sei.
An genau dieser Aussage zweifelte Verteidiger Riedl: „Der zweite Vorfall hat sich in einer Linkskurve ereignet. Wie können Sie aus der Entfernung die Seitenscheibe des Sattelzuges meines Mandanten einsehen?“
Die Beteiligten des Prozesses sahen sich die Aufnahmen der DashCam an, einer Kamera auf dem Armaturenbrett, die die Windschutzscheibe sowie den Straßenverkehr filmt, die das zweite Opfer in seinem Führerhaus installiert hat. Auf dem Video sind zwar keine Gegenstände zu sehen, allerdings belegen die Aufnahmen, dass der 29-Jährige seine Seitenscheibe heruntergelassen hatte. „Das macht niemand – schon alleine wegen des Lärms“, sagte der mutmaßlich beworfene Brummifahrer.
Windschutzscheibe musste ausgetauscht werden
Er berichtete Richter Meyer, dass mehrere kleine, dunkle Gegenstände gegen seine Windschutzscheibe geflogen seien und dort zwei Einschläge hinerlassen hätten. Die Scheibe musste daraufhin getauscht werden. Zudem habe er beim ersten Vorfall die qualmenden Reifen im Rückspiegel wahrgenommen.
Riedl erwiderte: „Die Aufnahmen der Kamera zeigen nichts. Dass die Seitenscheibe unten war, beweist ebenfalls nichts. Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel, dass das erste Opfer etwas vom zweiten Vorfall sehen konnte.“
Nach einem Rechtsgespräch beantragte der Verteidiger, dass ein Sachverständiger die Zweifel ausräumen soll. Sein Mandant, der wegen Betrugs und Fahrens trotz Fahrverbots bereits vier Vorstrafen aufweist, muss also ein weiteres Mal vor dem Augsburger Amtsgericht erscheinen. Richter Meyer entschied, dass der Prozess am Freitag, 1. September, fortgesetzt wird.