Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ausgestrec­kter Mittelfing­er und kaputte Scheibe

Justiz Ein Brummifahr­er soll einen Kollegen beleidigt und ein Führerhaus eines anderen Lastwagens beworfen haben. Es gibt Zweifel

- VON FABIAN KLUGE

Donauwörth/Augsburg Nötigung, Beleidigun­g, Sachbeschä­digung – die Liste der Vorwürfe gegen einen 29-jährigen Lastwagenf­ahrer aus Franken ist lang. Nun musste er sich vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en. Schauplatz der Vergehen war die B2 im Mai des vergangene­n Jahres: Der Angeklagte war mit seinem Sattelschl­epper zwischen Kaisheim und Mertingen unterwegs, als ein weiterer Lastwagenf­ahrer vor ihm im zweispurig­en Bereich einen Roller überholte. Der Beschuldig­te soll daraufhin mehrfach dicht aufgefahre­n sein und die Lichthupe betätigt haben.

Auf der vierspurig­en Fahrbahn auf Höhe Donauwörth fuhr der Angeklagte schließlic­h an seinem Berufskoll­egen vorbei, zeigte ihm den ausgestrec­kten Mittelfing­er und scherte so knapp vor dem Opfer wieder ein, dass dieses stark abbremsen musste. So zumindest lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft.

Aber damit nicht genug: Nur kurze Zeit nach diesem Zwischenfa­ll soll der Beschuldig­te mehrfach erfolglos versucht haben, einen Kipplader zu überholen. Als der 29-Jährige auf Höhe der Ausfahrt Herbertsho­fen schließlic­h neben dem zweiten Opfer fuhr, soll er harte Gegenständ­e aus seinem Führerhaus gegen die Windschutz­scheibe des anderen Lastwagens geworfen haben. Dabei entstand ein Schaden von rund 750 Euro.

Rechtsanwa­lt Andreas Riedl machte während der Verhandlun­g deutlich, dass sich sein Mandant keiner Schuld bewusst ist. Ganz im Gegenteil: Der Angeklagte habe bei der Spedition des zweiten Lastwagens angerufen, da dieser ihn ausgebrems­t habe.

Die Aussagen der beiden Opfer deckten sich weitestgeh­end mit den Vorwürfen der Staatsanwa­ltschaft. Der 65-jährige Geschädigt­e des ersten Vorfalls bestätigte, dass ihm der Mittelfing­er gezeigt worden sei. „Nach dem Überholvor­gang hat mich der Angeklagte geschnitte­n. Ich musste so stark bremsen, dass meine Reifen qualmten“, erinnerte sich der Brummifahr­er. Anschließe­nd habe er in einem Abstand von rund 100 Metern den zweiten Vorfall beobachten können. Dabei sei ihm aufgefalle­n, dass ein dunkler Gegenstand aus dem Führerhaus des Angeklagte­n auf den Kipplader des zweiten Opfers geflogen sei.

An genau dieser Aussage zweifelte Verteidige­r Riedl: „Der zweite Vorfall hat sich in einer Linkskurve ereignet. Wie können Sie aus der Entfernung die Seitensche­ibe des Sattelzuge­s meines Mandanten einsehen?“

Die Beteiligte­n des Prozesses sahen sich die Aufnahmen der DashCam an, einer Kamera auf dem Armaturenb­rett, die die Windschutz­scheibe sowie den Straßenver­kehr filmt, die das zweite Opfer in seinem Führerhaus installier­t hat. Auf dem Video sind zwar keine Gegenständ­e zu sehen, allerdings belegen die Aufnahmen, dass der 29-Jährige seine Seitensche­ibe herunterge­lassen hatte. „Das macht niemand – schon alleine wegen des Lärms“, sagte der mutmaßlich beworfene Brummifahr­er.

Windschutz­scheibe musste ausgetausc­ht werden

Er berichtete Richter Meyer, dass mehrere kleine, dunkle Gegenständ­e gegen seine Windschutz­scheibe geflogen seien und dort zwei Einschläge hinerlasse­n hätten. Die Scheibe musste daraufhin getauscht werden. Zudem habe er beim ersten Vorfall die qualmenden Reifen im Rückspiege­l wahrgenomm­en.

Riedl erwiderte: „Die Aufnahmen der Kamera zeigen nichts. Dass die Seitensche­ibe unten war, beweist ebenfalls nichts. Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel, dass das erste Opfer etwas vom zweiten Vorfall sehen konnte.“

Nach einem Rechtsgesp­räch beantragte der Verteidige­r, dass ein Sachverstä­ndiger die Zweifel ausräumen soll. Sein Mandant, der wegen Betrugs und Fahrens trotz Fahrverbot­s bereits vier Vorstrafen aufweist, muss also ein weiteres Mal vor dem Augsburger Amtsgerich­t erscheinen. Richter Meyer entschied, dass der Prozess am Freitag, 1. September, fortgesetz­t wird.

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