Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum Kurt Gribl ein halber Stadtberge­r ist

Stadtleben Der teilweise kuriose Verlauf der Grenze zwischen Kriegshabe­r und Stadtberge­n hatte auch Auswirkung­en auf die Jugend des Augsburger Oberbürger­meisters. Aber als trennend wird sie von den meisten nicht empfunden

- VON ANDREAS ALT

Kriegshabe­r/Stadtberge­n „Da hinten geht’s nicht weiter“, sagt Brigitte Krieger. Wir treffen sie in der Daucherstr­aße, einem der letzten Ausläufer von Kriegshabe­r. Am Ende der Sackgasse ist Augsburg dann endgültig zu Ende, und es beginnen die östlichen Ränder von Stadtberge­n. Auch die Querstraße­n zur Ulmer Landstraße sind nach Aussage der Frau abgesperrt. Hier haben die beiden Städte je für sich geplant und auf eine Verbindung verzichtet. Aber ganz in der Nähe verläuft die Stadtgrenz­e quer über die Ulmer Landstraße.

Wenn Brigitte Krieger die nahe Grenze wahrnimmt, dann nur positiv. Sie wohnt gern hier, und zwar seit 60 Jahren, und sieht es als Vorteil, dass die Einkaufsmä­rkte auf der Stadtberge­r Seite der Ulmer Landstraße so nah sind. Gerade war sie im Getränkesh­op und hat ein paar Käs- Mineralwas­ser besorgt. Früher gab es auf Kriegshabe­r Seite einige kleine „Spezereilä­den“, wie sie das nennt, etwa eine Bäckerei, aber dass die verschwund­en sind, bedauert sie nicht sonderlich. Im Gewerbegeb­iet gegenüber bekommt man nun alles, was man braucht.

Zurück zur großen Kreuzung mit der Kriegshabe­r und Neusässer Straße. Hier ist fast überall Augsburger Stadtgebie­t, aber hinter dem einzeln stehenden Haus, in dem sich das Rockcafé befindet, verläuft die Grenze quer durch Philipps Sonderpost­enmarkt. Das liegt laut dem Leiter des Augsburger Geodatenam­ts, Wilfried Matzke, schlicht daran, dass die Grenze zu Zeiten gezogen wurde, als die Gegend noch völlig unbebaut war.

Die Situation hat aber für den Grundstück­seigner, die Dasinger Baufirma Pletschach­er, keine konkreten Auswirkung­en. Sollte dort einmal neu-, um- oder angebaut werden, braucht sie freilich zwei Baugenehmi­gungen. Stadtberge­ns Bürgermeis­ter Paul Metz versichert, das doppelte Genehmigun­gsverfahre­n würde für den Bauherrn keine Nachteile mit sich bringen. Wichtig war beim bestehende­n Markt, dass er einen Zugang von Stadtberge­n aus hat; sonst müsste er am Augsburger Friedensfe­st jedes Mal geschlosse­n bleiben. Metz verrät noch, dass auch das Elternhaus von Oberbürger­meister Kurt Gribl zum Teil auf Kriegshabe­r und zum Teil auf Stadtberge­r Grund steht. Gribl bezeichne sich daher gern als „halben Stadtberge­r“. Ein weiteres Haus mitten auf der Grenze gebe es in der Falkenstra­ße.

Damiano de Lia sitzt gerade auf der Terrasse seiner Gelateria. Ihm ist bewusst, dass Stadtberge­n unweit auf der anderen Seite der Kriegshabe­r Straße beginnt, aber eine besondere Bedeutung hat die Grenze für ihn nicht. Seine Gäste kommen nach seinen Worten sowohl aus Kriegshabe­r als auch aus Stadtberge­n und noch darüber hinaus: Neusäß, Steppach, auch Oberhausen. Um zu zeigen, dass ihm die Fragen des Journalist­en nicht auf die Nerven gehen, bietet er am Ende noch einen Espresso gratis an.

Mehr über die Grenze nach Stadtberge­n weiß Pfarrer Gerhard Groll. Die einstige Pfarrei Heiligste Dreifaltig­keit, die heute zu seiner Pfarreieng­emeinschaf­t gehört, erstreckte sich bis 2003 – das war allerdings vor seiner Zeit – bis zum Virchowvie­rtel. Dessen Bewohner wurden von dieser Pfarrei seelsorgte­n lich mitbetreut und gingen in Kriegshabe­r in die Kirche. Manchen von ihnen fiel die Umorientie­rung nach Maria Hilf in Stadtberge­n laut Groll nicht leicht. Noch heute kann es vorkommen, dass bei Todesfälle­n im Virchowvie­rtel der Trauergott­esdienst in Kriegshabe­r gefeiert wird. Der Sarg wird allerdings in Stadtberge­n in die Erde gelassen.

Keine Bedeutung hat die Grenze für die Konzerthal­le Spectrum. Auch wenn man vermuten könnte, die bisweilen laute Einrichtun­g sei nur ganz am Stadtrand zugelassen worden. Spectrum-Chef Ufuk Aykut sagt jedoch, die Halle sei ja gar nicht am Rand der Bebauung. 1991 wurde das Spectrum in der ehemaligen Turnhalle des TSV Kriegshabe­r gegründet. Sein Einzugsber­eich reicht weit über Augsburg hinaus, und an seinem Standort ist es von Stadt und Land aus gleich gut zu erreichen.

Wir folgen weiter der Stadtgrenz­e nach Süden und überqueren die Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße. Hier stehen nun Wohnhäuser auf der Stadtberge­r Seite, gegenüber befindet sich die ehemalige US-Garnison Cramerton. Die Bauten auf der Konversion­sfläche sind durch einen Grünstreif­en mit hohen Bäumen zur Straße hin abgeschirm­t. Auch auf der Hagenmähde­r Straße gibt es auf Stadtberge­r Seite vielfältig­e Einkaufsmö­glichkeite­n. Die Straße ist entspreche­nd stark befahren. Die Märkte leben sicher zum guten Teil auch von Kriegshabe­r Kunden.

Auf dem Rückweg begegnen wir nahe dem Autohaus Listle einem 73-Jährigen, der gerade sein Fahrrad aus der Haustür schiebt, um zum Einkaufen zu fahren. Der Mann ist 1971 aus Kroatien nach Augsburg gekommen. „Hier ist es gut zu wohnen“, sagt er. Geschickt findet er vor allem die nahen Bushaltest­ellen – eine fast vor der Haustür, eine auf der Bürgermeis­terAckerma­nn-Straße. Die Tramlinie 2 braucht er gar nicht.

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Fotos: Annette Zoepf Dass hier die Grenze zwischen Kriegshabe­r und Stadtberge­n verläuft und sogar mitten durch ein größeres Gebäude geht, ist optisch nicht zu erkennen. Der eigenwilli­ge Verlauf ist damit zu erklären, dass die Grenze zu einer Zeit gezogen wurde, als es hier...
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Noch bis vor wenigen Jahren war die Pfarrei Zur Heiligsten Dreifaltig­keit auch für das Stadtberge­r Virchowvie­rtel zuständig.
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