Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Große Helden im kleinen Klub
Beatsteaks Ein seltenes Erlebnis mit den Rockstars aus Berlin
„Fangen wir mit ein paar neuen Songs an!“, brüllt Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß und die Beatsteaks legen los. In gewohnter Manier, wie inzwischen seit 22 Jahren. Mit dem Neuen fremdelt das Publikum erst, kann man nicht mitsingen, kennt man nicht. Aber schnell wird klar: Auch wenn da mal irgendwo Autotune auftaucht, die Beatsteaks sind die Alten und das Neue gliedert sich in Hits wie „Boombox“oder „Gentleman of the Year“so wunderbar ein, als gehöre es seit einem Jahrzehnt in die Setlist. So ist es unnötig, dass TeutoburgWeiß immer wieder auffordert, noch näher, noch dichter ranzukommen. Wie das gehen soll, weiß nach zehn Minuten keiner mehr, versucht wird es trotzdem. Das Konzert ist heiß und ausverkauft.
Zwei Nummer-eins-Alben können die Beatsteaks in ihrer BandBiografie vorweisen. Übermorgen, am Freitag, erscheint die neue Platte, ein Doppelalbum, 21 frische Songs, schon vorab wurden gleich vier davon als Single veröffentlicht. Was man da vorhören kann, klingt keinesfalls belanglos-routiniert, sondern als logische Weiterführung eines Bandprojekts, das sich beileibe nichts mehr beweisen braucht. Der Bandsänger muss längst in einem Atemzug mit Frontsängern deutscher Rockbands wie Campino, Farin Urlaub, Till Lindemann genannt werden – nicht nur weil auch er die 40 bereits überschritten hat. Da ist es keine Selbstverständlichkeit, dass eine Band, die ganze Stadien füllt, sich die Ehre gibt, in kleinen Klubs wie der Augsburger Kantine aufzuspielen. Aber wie heißt es so schön: „Get in where you fit in.“
Dementsprechend groß der Ansturm auf das Klubkonzert, die Ticketserver brachen unter der Last zusammen, Sekunden nach Verkaufsstart. Die Tickets, die auf eBay zu Geld gemacht wurden, erzielten dreistellige Preise. Dieser Trend zurück zu schweißtriefender Klubatmosphäre, den Bands wie Die toten Hosen oder Kraftklub schon seit längerem mitgehen, begrüßen die Fans sehr. Man ist näher dran, die Musik klingt unmittelbarer.
Neben dem neuen Liedgut zelebrieren Band und Fangemeinde natürlich die Hits wie „Hand in Hand“„To Be Strong“und „Hello Joe“. In den ersten Reihen wird gehüpft, gesprungen, geschupst, die Körper zur bewegten Einheit, von den schnellen Riffs getrieben. Teutoburg-Weiß lässt sich zum Finale das Bad in der Menge mit blauem Fischerhut auf dem Kopf nicht nehmen. „Das ist einer unserer Lieblingsklubs“, verspricht er und man will es ihm glauben, er und die übrige Band haben sichtlich Spaß an diesem Abend. „Gegen all die komischen, engstirnigen, homophoben Idioten“wird dann „I Want You Break Free“angestimmt. Wie es Teutobrug-Weiß gelingt, dass das weder anbiedernd, pseudo-cool noch versucht ironisch wirkt bei ihm, bleibt sein Geheimnis. Er darf das, genauso wie den Fischerhut und das ist bei so vielen Jahren Bühnenerfahrung kalkuliert, erscheint aber nicht berechnend. Und so klingen auch Cover-Versionen wie die von „A New England“von Billy Bragg nach einer schlichten Liebeserklärung an die einstige musikalische Herkunft, dem Punk-Rock, aus dem die Berlin-Band sich längst heraus etabliert und Genre-Fesseln abgeworfen hat.
So ist es nicht verwunderlich, dass das Publikum mit Rufen wie „Berlin, die Beatsteaks aus Berlin“die Gruppe gleich zwei Mal zurück auf die Bühne ordert. Sie wollen ihre Zugabe trotz einer Luftfeuchtigkeit und Temperatur, wie man sie nur in Schwitzhütten schätzt. Und sie bekommen diese auch. Ein Konzert, das weitaus mehr ist als Teil einer Promo-Tour fürs neue Album – auf das man sich, das ließen die Beatsteaks an diesem Abend vorkosten, auf jeden Fall freuen darf.