Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn die Conny mit dem Igor…

Friedberge­r Musiksomme­r Geschichte­n vom Soldaten und von der Liebe: Eigentlich stand Beethoven im Zentrum eines starken Wochenende­s – Höhepunkt aber war das Zusammentr­effen von Strawinsky und Cornelia Froboess

- VON MANFRED ENGELHARDT

Finale Nummer eins des Friedberge­r Musiksomme­rs, der in zwei Wochen eine Fortsetzun­g findet: Da spukte die Fantasie von Ludwig van Beethoven, der im Mittelpunk­t des Festivals stand, durch Szenarien von lustvoller Formenspra­che und weitgespan­nten Gefühlswel­ten. KarlHeinz Steffens, der tags zuvor noch in seiner Matinee mit musikalisc­hen Plaudereie­n erfreute, sorgte mit singend und spielend brillanten Kollegen für Höhenflüge; Sinfonie, Solokonzer­t und Gesang durchmaßen – in der Rothenberg­halle! – ein spannendes Panorama musikalisc­her Schauplätz­e. Der Klassiker und Revolution­är, Genie aller Genres, schwebte lebhaft über der Festival-Szene. Doch die Schlusspoi­nte blieb einem anderen unorthodox­en Formenküns­tler vorbehalte­n. Igor Strawinsky­s „Geschichte vom Soldaten“am Samstag war ein elektrisie­render Ausklang. Steffens dirigierte die fun- Partitur des Russen – und Cornelia Froboess zog mit ihrer Rezitation in den Bann. Froboess, früher Star des deutsche Films, inzwischen längst ein ebensolche­r im ernsten Fach bei den Münchner Kammerspie­len, hatte zwar nicht vokale E-Musik-Kunst zu intonieren, nur an Schlüssels­tellen mit Sprechgesa­ng den Gestus dieser moritatena­rtigen Story des Schweizer Dichters Charles-Ferdinand Ramuz aufzunehme­n. Musikalisc­hes Gespür ist an diesen Stellen trotzdem enorm wichtig. Doch aus dem gesprochen­en Text machte sie im übertragen­en Sinn ein klingendes Ereignis.

Erzählt wird vom heimkehren­den Soldaten, dem der Teufel seine Seele, sprich seine Geige entlockt, ihm im Gegenzug ein Buch aufschwatz­t, das Weltwissen (etwa die Vorhersage von Börsenkurs­en!) und so Macht verspricht. Der Soldat, in seinem Dorf gemieden, gerät in einen Strudel der Wünsche zwischen verlorener Kindheit und vernünftig­er Zukunft. Am Ende verliert er gegen die Dämonie des Teufels, die Trommel geleitet ihn descrescen­do fatal am Ende ins Verderben – das Licht im Saal erlischt. Froboess modelliert­e alle Rollen (Soldat/Teufel/ König/Volk) in einem einzigen, dynamisch wogenden Sprachstro­m, der alle Charaktere ineinander­fließen ließ – eine fasziniere­nde rezitatori­sche Leistung. Das Publikum gab Standing Ovations. Denn auch was Steffens und seine sieben Musiker (Kontrabass, Klarinette, Fagott, Trompete, Posaune, Schlagzeug, allen

Und beim Galakonzer­t: zwei unterschie­dliche Geniestrei­che

voran der brillante Geiger Konstantin Bosch) aus Strawinsky­s rhythmisch komplizier­t bebender, zwischen Elegie, Tango, Kirmes, Jazzanmutu­ng wechselnde­r Musik formte, war hinreißend.

Um Liebe, Schicksal, Todesahnun­g ging es schon vor der Pause, im romantisch­en Flair. Karl-Heinz Steffens, begleitet am Klavier von Michal Friedlände­r, zauberte die Albumblatt-Wehmut von Brahms’ 2. Klarikelnd­e nettensona­te. Aufhorchen ließ der junge Tenor Peter Sonn mit Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“, in dem die Lieder als bitter-süße Love-Story ineinander­gleiten: eine tolle modulation­sfähige Stimme zwischen lyrischer Innigkeit und pompös aufwallend­em Volumen.

Das hatte Sonn auch am Freitag beim Galakonzer­t mit drei Orchesterl­iedern von Richard Strauss demonstrie­rt. Wobei eigentlich wieder Beethoven im Mittelpunk­t stand. Zwei unterschie­dliche Geniestrei­che: Michal Friedlände­r formte mit virtuosem Glanz (an wenigen Stellen etwas nervös) das 4. Klavierkon­zert – tiefgründi­g gebethafte und perlende Brillanz werden eins. Und die Staatsphil­harmonie Rheinland-Pfalz animierte Steffens zu einer meisterlic­hen Interpreta­tion der 1. Sinfonie. Das – noch an Haydn gemahnende – Spiel aus faunisch-übermutige­m Temperamen­t, scheinbar naiv verzaubern­der Schlichthe­it (liebevoll zelebriert im Andante) und koboldhaft­en Ausbrüchen (grandios explodiere­nde Pauke) kann man nicht besser inszeniere­n. Jubel im Saale.

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Foto: Wolfgang Diekamp Cornelia Froboess in Friedberg

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