Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wo auch der Joppenkönig zu Hause war
Gedenktag Auf den Spuren früherer jüdischer Fischacher Mitbürger kommt so manche unbekannte Geschichte ans Licht. Isidor Bach gilt als Erfinder der Konfektion. Er begründete die Wurzeln des Münchner Kleidungshauses Konen
Fischach Wer sich in den kommenden Wochen für das Münchner Oktoberfest in Schale wirft, trägt vermutlich auch ein Stück Fischach: Denn die Joppe als Konfektionsware geht auf Isidor Bach zurück. Er wurde 1849 in Fischach geboren – sein Elternhaus stand in der damaligen Augsburger Straße 17. Heute sei von dem Haus nichts mehr zu sehen, wie Mitglieder des Kulturkreises Kern bei einem Spaziergang zu den jüdischen Spuren der Staudengemeinde anlässlich des Europäischen Tags der jüdischen Kultur erklärten. Wo die Geschichte des Joppenkönigs und Begründers des Kaufhauses Konen in München ihren Lauf nahm, steht ein Wohn- und Geschäftskomplex.
Isidor Bach machte sich mit 22 Jahren nach seiner Ausbildung in einem Textilhandelshaus in Augsburg selbstständig. Er war fleißig und sparsam. Und er hatte eine Idee: Statt sich von einem Schneider Bekleidung anfertigen zu lassen, sollten Kunden bereits fertige Ware probieren und kaufen können – Konfektionsware war damals Neuland in Bayern. Bach gründete mit seinem jüngeren Bruder Hermann ein Tuchhandelsgeschäft mit einer Konfektionsabteilung für Herren. Er ließ Lodenbekleidung herstellen und vertreiben. 1880 mietete er die frühere Gaststätte Unterpollinger in der Sendlinger Straße 5 in München. Um 1900 erwarb Bach die benachbarten Häuser und ließ ein neues Geschäftshaus bauen.
Nach dem Ersten Weltkrieg stieg der junge Johann Konen ein. Isidor Bach emigrierte 1939 in die Schweiz – rechtzeitig, um nicht dasselbe Schicksal wie viele andere Fischacher zu erfahren: Vor 75 Jahren wurden die meisten verschleppt und ermordet. Immerhin gelang es einigen vor den beiden Deporttationen, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Einer von ihnen war Nathan Maier.
Er kehrte 1988 zurück, um zu sehen, wo er aufgewachsen war. Beim Besuch berichtete er, dass er acht Wochen im Konzentrationslager Dachau verbringen musste, bevor er im Frühjahr 1939 in die Vereinigten Staaten auswandern konnte. Wohl an die 35 Fischachern gelang es, rechtzeitig sich in Sicherheit zu bringen. Albert Deller baute sich eine neue Existenz in Ecuador auf: Sein Sohn Michel Deller hatte sich auf die Suche nach seinen Wurzeln gemacht und Anfang der Woche Fischach besucht. Die Dellers wohnten wie die Maiers auf der südlichen Seite der Augsburger Straße. Ein Haus sticht heraus: die Alte Villa der jüdischen Familien Maier.
Die Kaufleute hatten es zu Vermögen gebracht, wie das um 1900 symmetrische angelegte Gebäude verrät. Die Brüder Hermann und Siegfried Maier hatten die Villa bauen lassen. „Siegfried Maier, der Vater von Nathan, überlebte den Holocaust nicht“, berichtete Ken Pagett vom Kulturverein Kern während der Spurensuche, die AnneMarie Fendt schon seit vielen Jahren beschäftigt. Ihre Recherchen führten sie jüngst zusammen mit Kreis- heimatpflegerin Claudia Ried auch ins Staatsarchiv nach München. Dort konnte sie über alte Grundbüchern auf früheren Eigentumsverhältnisse schließen. Auch Unterlagen zu Rückerstattungsansprüchen fanden sich: Die hatten HolocaustÜberlebende gestellt. Sie stehen für ein dunkles Kapitel Geschichte. Nach den Deportationen wurde jüdisches Vermögen versteigert. In der Regel räumten damals Finanzbeamte die verlassenen Wohnungen, überführten das letzte Hab und Gut der Verschleppten in Staatsbesitz – damals gesetzlich legitimiert.
Joppenkönig Isidor Bach gelang es übrigens, sein Vermögen noch vor den braunen Plünderern zu retten. Bach hatte das Unheil kommen sehen. Er gehörte zu mindestens 17 Geiseln, welche das Freikorps Oberland während des Hitlerputsches als angesehene Juden in den Bürgerbräukeller verschleppte.