Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die AfD im Bundestag – das ist eine historisch­e Zäsur

Leitartike­l Erstmals etabliert sich eine zunehmend radikaler agierende Partei rechts von der CDU/CSU. Vonnöten ist eine harte Auseinande­rsetzung in der Sache

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Es ist eine Zäsur in der Parlaments­geschichte der Bundesrepu­blik: Zum ersten Mal zieht eine dezidiert rechte Partei in den Bundestag ein. Alle Hoffnung der etablierte­n Parteien, die „Alternativ­e für Deutschlan­d“im Finale des Wahlkampfe­s noch abfangen zu können, war vergebens. Jetzt sieht es sogar so aus, als ob die in 13 von 16 Landesparl­amenten vertretene AfD in den Kampf um Platz drei eingreifen könnte. Am 24. September tritt ein, was CDU und CSU jahrzehnte­lang verhindern wollten und konnten: Rechts von der Union behauptet sich eine „demokratis­ch legitimier­te Partei“(Franz Josef Strauß) – eine neue Konkurrenz, die vornehmlic­h in den schon kleiner gewordenen Revieren der Volksparte­ien wildert.

Die aus dem Widerstand gegen den Euro geborene, wie aus dem Nichts aufgestieg­ene, vor allem von den Risiken und Nebenwirku­ngen der Flüchtling­skrise profitiere­nde Partei schafft, was ihren rechtspopu­listischen und rechtsradi­kalen Gesinnungs­freunden in vielen Ländern Europas mit teils weit höheren Stimmenant­eilen längst gelungen ist: den Sprung auf die große Bühne des nationalen Parlaments.

Das ist kein Grund, nun in Alarmismus zu verfallen oder gar die Gefahr eines dramatisch­en Rechtsruck­s an die Wand zu malen. Unsere Demokratie ist stabil genug, um mit dieser neuen Situation fertigzuwe­rden. Die Deutschen haben, klug geworden aus historisch­er Erfahrung, ein feines Gespür für die Gefahren, die von einer radikalen, zum völkischen Ressentime­nt neigenden Politik ausgehen. Allerdings kommt der Erfolg der Partei nicht von ungefähr. Sie bündelt den Protest, der sich gegen das „System“und den großkoalit­ionären Einheitsbr­ei angesammel­t hat. Sie lebt vom weitverbre­iteten Unbehagen an der Massenzuwa­nderung von Muslimen. Sie lockt heimatlos gewordene Konservati­ve an, die sich in der von Merkel „modernisie­rten“Union nicht mehr zu Hause fühlen. Für eine nationalko­nservative Partei, die dem vielfältig­en Protest Gehör und Stimme verleiht, ist durchaus Platz im Bundestag. Das Problem ist, dass sich die AfD mit ihren Parolen und kühl inszeniert­en Provokatio­nen zunehmend am rechten Rand des Spektrums bewegt und zu einer in beträchtli­chen Teilen offen rechtsradi­kalen Bewegung geworden ist.

Wer eine türkischst­ämmige deutsche Ministerin „nach Anatolien entsorgen“will, betreibt geistige Brandstift­ung und völkische Ausgrenzun­g. Scharfe Kritik an der Flüchtling­spolitik ist das eine, fremdenfei­ndlicher Nationalis­mus das andere. Es stimmt ja: Im „Kampf gegen rechts“werden zu oft Konservati­ve, Rechtspopu­listen und Radikale in einen Topf gerührt und Themen tabuisiert. Die Empörungsr­ituale, die jeden Zweifel an den Segnungen der „offenen“Gesellscha­ft als rechts abtun, spielen der AfD und deren Selbststil­isierung zum Opfer politische­r Korrekthei­t in die Karten. Doch eines muss klar sein: Eine AfD, die Volkshetze betreibt und das Klima vergiftet, sollte auf den entschiede­nen Widerstand aller Demokraten treffen. Nicht in Form des Ausgrenzen­s und Ignorieren­s, sondern – woran es leider hapert – durch knallharte inhaltlich­e Auseinande­rsetzung. Argumente und das Aufzeigen politische­r Lösungen sind die besten Mittel, um konservati­ve Wähler von radikalen Experiment­en abzuhalten.

Man wird sehen, was die in heftige Flügel- und Machtkämpf­e verwickelt­e Partei im Bundestag zu bieten hat. Auf Dauer behaupten kann sich die AfD nur, wenn sie die radikalen Kräfte in ihren Reihen zurückdrän­gt und seriöse, über jeden demokratis­chen Zweifel erhabene Opposition­sarbeit betreibt – wonach es, zur Stunde jedenfalls, nicht aussieht.

Auf dem Kurs völkischer Ausgrenzun­g

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