Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die AfD im Bundestag – das ist eine historische Zäsur
Leitartikel Erstmals etabliert sich eine zunehmend radikaler agierende Partei rechts von der CDU/CSU. Vonnöten ist eine harte Auseinandersetzung in der Sache
Es ist eine Zäsur in der Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik: Zum ersten Mal zieht eine dezidiert rechte Partei in den Bundestag ein. Alle Hoffnung der etablierten Parteien, die „Alternative für Deutschland“im Finale des Wahlkampfes noch abfangen zu können, war vergebens. Jetzt sieht es sogar so aus, als ob die in 13 von 16 Landesparlamenten vertretene AfD in den Kampf um Platz drei eingreifen könnte. Am 24. September tritt ein, was CDU und CSU jahrzehntelang verhindern wollten und konnten: Rechts von der Union behauptet sich eine „demokratisch legitimierte Partei“(Franz Josef Strauß) – eine neue Konkurrenz, die vornehmlich in den schon kleiner gewordenen Revieren der Volksparteien wildert.
Die aus dem Widerstand gegen den Euro geborene, wie aus dem Nichts aufgestiegene, vor allem von den Risiken und Nebenwirkungen der Flüchtlingskrise profitierende Partei schafft, was ihren rechtspopulistischen und rechtsradikalen Gesinnungsfreunden in vielen Ländern Europas mit teils weit höheren Stimmenanteilen längst gelungen ist: den Sprung auf die große Bühne des nationalen Parlaments.
Das ist kein Grund, nun in Alarmismus zu verfallen oder gar die Gefahr eines dramatischen Rechtsrucks an die Wand zu malen. Unsere Demokratie ist stabil genug, um mit dieser neuen Situation fertigzuwerden. Die Deutschen haben, klug geworden aus historischer Erfahrung, ein feines Gespür für die Gefahren, die von einer radikalen, zum völkischen Ressentiment neigenden Politik ausgehen. Allerdings kommt der Erfolg der Partei nicht von ungefähr. Sie bündelt den Protest, der sich gegen das „System“und den großkoalitionären Einheitsbrei angesammelt hat. Sie lebt vom weitverbreiteten Unbehagen an der Massenzuwanderung von Muslimen. Sie lockt heimatlos gewordene Konservative an, die sich in der von Merkel „modernisierten“Union nicht mehr zu Hause fühlen. Für eine nationalkonservative Partei, die dem vielfältigen Protest Gehör und Stimme verleiht, ist durchaus Platz im Bundestag. Das Problem ist, dass sich die AfD mit ihren Parolen und kühl inszenierten Provokationen zunehmend am rechten Rand des Spektrums bewegt und zu einer in beträchtlichen Teilen offen rechtsradikalen Bewegung geworden ist.
Wer eine türkischstämmige deutsche Ministerin „nach Anatolien entsorgen“will, betreibt geistige Brandstiftung und völkische Ausgrenzung. Scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik ist das eine, fremdenfeindlicher Nationalismus das andere. Es stimmt ja: Im „Kampf gegen rechts“werden zu oft Konservative, Rechtspopulisten und Radikale in einen Topf gerührt und Themen tabuisiert. Die Empörungsrituale, die jeden Zweifel an den Segnungen der „offenen“Gesellschaft als rechts abtun, spielen der AfD und deren Selbststilisierung zum Opfer politischer Korrektheit in die Karten. Doch eines muss klar sein: Eine AfD, die Volkshetze betreibt und das Klima vergiftet, sollte auf den entschiedenen Widerstand aller Demokraten treffen. Nicht in Form des Ausgrenzens und Ignorierens, sondern – woran es leider hapert – durch knallharte inhaltliche Auseinandersetzung. Argumente und das Aufzeigen politischer Lösungen sind die besten Mittel, um konservative Wähler von radikalen Experimenten abzuhalten.
Man wird sehen, was die in heftige Flügel- und Machtkämpfe verwickelte Partei im Bundestag zu bieten hat. Auf Dauer behaupten kann sich die AfD nur, wenn sie die radikalen Kräfte in ihren Reihen zurückdrängt und seriöse, über jeden demokratischen Zweifel erhabene Oppositionsarbeit betreibt – wonach es, zur Stunde jedenfalls, nicht aussieht.
Auf dem Kurs völkischer Ausgrenzung