Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Geldpolitik wie eine Party: Freibier für alle
Bislang konnte man Mario Draghis Geldpolitik mit drei Worten umschreiben: Freibier für alle – oder sollte man von Koma-Saufen sprechen? Immerhin hat diese Happy Hour jede Finanz-, Schulden- und Euro-Krise eingedämmt. Allerdings wurden auch die Finanzmärkte in einen Ballermann-ähnlichen Rausch versetzt. Mittlerweile gibt es sogar für Hochzins- und Ramschanleihen nur noch so mickrige Renditen, zu denen man früher Bundeswertpapiere nicht mit der Kneifzange angepackt hätte. Und Preise für Häuser und Ackerland lassen sich nur noch ab zwei Promille rechtfertigen.
Natürlich ist sich auch Mario Draghi der Risiken dieser Trunksucht bewusst. Denn die Blasenbildungen bei Anlageklassen werden mit jedem Tag seiner Druckbetankung größer. Und in unserer heutigen Welt hängt doch alles von allem ab. Wie in einem Spinnennetz ist jede Erschütterung überall zu spüren. Also: Nicht auszudenken, wenn das dunkle Schwänchen aus Nordkorea zu einem dicken schwarzen Schwan wird. Und was blüht uns noch vom Trio Infernale Trump, Putin und Erdogan? Die Welt ist so vielen konjunkturellen und finanzwirtschaftlichen Risiken ausgesetzt wie Pflaumenkuchen einem Schwarm Wespen. Doch die Finanzmärkte betrachten den Nordkorea-Konflikt entspannt. Offensichtlich haben die vielfachen Schulden-, Banken- und Euro-Probleme der Vergangenheit zu einem Gewöhnungseffekt geführt. Am Ende haben die Geldpolitiker immer verhindert, dass diese finanzpolitischen Krisen zu systemischen Zusammenbrüchen wurden.
So bleibt es wohl bei den bekannten Inhalten in den Hochämtern der EZB, die sich offiziell Sitzungen nennen. Man wird zwar von Enthaltsamkeit beim Alkohol sprechen. Doch tatsächlich wird man der Euro-Konjunktur weiter „Stoff“verabreichen, damit sich auch ein nachhaltiger Inflationsdruck aufbauen kann.
Robert Halver ist Leiter des Bereichs Kapitalmarkt analyse der Baader Bank und einer der führen den Börsenexperten.