Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Heißt es der oder die Viehscheid?

Allgäuer sind sich selbst nicht einig. Ein Erklärungs­versuch

- VON KATHARINA MÜLLER

Allgäu Dass es im Dialekt für viele Dinge je nach Region unterschie­dliche Worte gibt, ist für den lernwillig­en Auswärtige­n schwierig genug. Um nicht als solcher enttarnt zu werden, muss er im Allgäu aber auch bei den Artikeln Obacht geben. Bestellt er im Ober- und Westallgäu etwa ein Weizen, weiß zwar jeder, was gemeint ist. Pluspunkte gibt es auch, weil er wenigstens nicht Weißbier sagt. Gleichzeit­ig ist aber klar: „Der isch id von do.“Denn sonst würde er einen Weizen bestellen. Andersheru­m geht es ihm im Unter- und Ostallgäu. Ähnlich ist das bei der oder die Semmel oder der oder die Butter. Fast unfair wird es aber, wenn nur ein kleiner Ort einen anderen Artikel verwendet als der Rest. Wer soll das bitte ahnen? Deshalb müssen auch eingefleis­chte Allgäuer am Wochenende aufpassen, wenn sie nach Pfronten fahren – zu der Viehscheid.

Warum es in der Ostallgäue­r Gemeinde die und nicht der Viehscheid heißt, ist allerdings nicht überliefer­t und auch den Einheimisc­hen ein Rätsel. „Wir sagen schon immer die. Wenn einer der sagt, nimmt es ihm aber keiner krumm“, sagt Sybille Trenkle, die Frau eines Alphirten.

Dialektexp­erte Dr. Manfred Renn kann sich den sprachlich­en Ausreißer bei der Viehscheid in Pfronten auch nicht erklären. „Bei solchen Dingen kommt es darauf an, was sich wo durchsetzt“, sagt der Wahl-Füssener, der ursprüngli­ch aus dem Westallgäu kommt.

Wer sich nicht festlegen will, hat allerdings Glück. Denn im Allgäu ist eine undeutlich­e Aussprache absolut gesellscha­ftstauglic­h. So ist man mit einem genuschelt­en d‘ Viehscheid auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

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