Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Gegen Trump“– aber wie?
USA Seit „No Logo“ist Naomi Klein ein Star des kritischen Denkens. Nun folgt ein neuer glühender Appell
Jedes neue Buch über Donald Trump läuft Gefahr, durch dessen spontane Wutreden, Twitter-Gewitter, Dekrete und Rauswürfe schnell überholt zu sein. Die renommierte Linksintellektuelle und Umweltaktivistin Naomi Klein versucht sich in ihrer wuchtiger Kampfschrift „Gegen Trump“daher bei allem Frust an schlüssigen Gegenrezepten. Zwischen „Schock“-Bekenntnis und vorsichtiger Aufbruchstimmung skizziert die 47-Jährige auf rund 350 gut lesbaren Seiten – nach eigener Aussage „im Plauderton geschrieben“– eine Gegenwart und Zukunft unter Trump, die gruseln lässt. Und nach dieser Bestandsaufnahme wirkt Kleins Schlussfolgerung („Eine fürsorgliche Mehrheit ist in Reichweite“) doch arg zuversichtlich.
Wegen der Skrupellosigkeit Trumps und seiner Regierung von Milliardären, Fanatikern und Umweltfeinden befinde sich „jeder Bewohner des Planeten potenziell im Explosionsgebiet, in der FalloutZone und sicherlich in der Erwärmungszone“, schreibt Klein. Dabei webt sie zwar prägende Ereignisse der ersten Trump-Monate in ihre Analyse ein, verliert sich aber nicht in kleinteiligen, rasch überholten Schilderungen der aktuellen Vorgänge rund ums Weiße Haus.
Mit mehreren einflussreichen Büchern hatte Klein sich seit der Jahrtausendwende als Kapitalismuskritikerin hervorgetan („No Logo“, „Die Schock-Strategie“). Ihre Hauptthesen – die globale Macht großer Marken wie Apple, Nike oder Starbucks, neoliberale Ausbeutungsstrategien mithilfe inszenierter Krisen und Schocks, eine entfesselte Marktwirtschaft als Umweltschutzbremse – wendet sie nun, manchmal durchaus eitel und selbstreferenziell, auf Trump an. Der sei keineswegs aus dem politischen Nichts gekommen. Der Immobilienmagnat habe es verstanden, sich als Entertainment-Marke „Trump“zu etablieren – und alle hätten zugeschaut. „Er ist das vollkommen vorhersehbare, ja geradezu klischeehafte Ergebnis der allgegenwärtigen Ideen und Trends, denen man schon lange hätte Einhalt gebieten müssen“– so hält die auch mit einem US-Pass ausgestattete, im kanadischen Toronto lebende Autorin ihren Lesern einen Spiegel vor. Ihr im zweiten Buchteil entworfenes Rezept zur Rettung der liberalen, toleranten Demokratie: eine linke Protestkultur und Solidarität, die in den 90er Jahren bereits einigen Erfolg gegen ausufernden Freihandel gehabt hätten. Es gehe um „eine mutige progressive Agenda, die echte Umverteilung vorsieht“. Kann es also eine von Naomi Klein beschworene „Schockresistenz“geben, als Reaktion auf Trumps „Blitzkrieg-Strategie“und seinen „kapitalistischen Putsch“? Die Linksaktivistin nennt Vorbilder: Argentinien in der Wirtschafts- und Staatskrise vor 15 Jahren, Spanien nach den Terroranschlägen von 2004. Anzeichen für öffentlichen Widerstand von Millionen Menschen erkennt sie derzeit auch in den USA. „Wir können angesichts einer schweren Bedrohung den Entschluss fassen, uns zusammenzuschließen und einen evolutionären Satz nach vorne zu wagen“, meint Klein. Schön und gut – aber viel mehr als ein glühender Appell und eine sympathische Utopie fallen auch dieser klugen Autorin nach einigen Monaten „Trumpismus“nicht ein. Ein zwiespältiges Buch, das viele Sorgen und etwas Hoffnung weckt. Werner Herpell, dpa