Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zweite Wahl spielt mutig
Bei dieser EM konnte die Équipe Tricolore mit mäßigen Auftritten und Niederlagen gegen Finnland und Slowenien noch nicht ihre Favoritenstellung untermauern. Zuletzt setzte sich das Team um Euroleague-Star Nando de Colo und NBA-Routinier Boris Diaw aber bei der EM-Generalprobe in Berlin mit 85:79 durch. „Wir wissen, was auf uns zukommt. Wir sind in der Zeit deutlich gewachsen als Team“, erinnert Bundestrainer Chris Fleming an die Partie vor zwei Wochen.
„Die Herausforderung ist sicherlich groß. Wir brauchen aber keine Angst haben, die Jungs werden selbstbewusst ins Spiel gehen.“Für den Coach könnte es der letzte Auftritt sein – eine weitere Beschäftigung nach der EM ist durch die Anstellung beim NBA-Klub Brooklyn Nets unmöglich. Sein designierter Nachfolger und derzeitiger Assistent Henrik Rödl verpasste das letzte Duell in Istanbul mit Frankreich in seiner aktiven Zeit wegen einer Fersenoperation. Und genau dieses Spiel soll zum guten Omen werden: Mit dem 81:77 im EM-Viertelfinale legten Nowitzki & Co. 2001 den Grundstein für eine ganze Ära. Dies will nun auch die Nachfolge-Generation Schröder schaffen.
Die deutsche Nationalmannschaft versucht, sich und den Basketball bei der EM in den Fokus zu rücken. Die Ära Dirk Nowitzki ist Geschichte, mit Dennis Schröder dribbelt sich ein neues Gesicht in den Mittelpunkt. Er ist auf dem besten Weg, ein Star zu werden, eine Führungsfigur, die dieser Sport in Deutschland braucht.
Sowohl Schröder als auch Nowitzki sind herausragende Spieler ihrer Generationen. Wenn auch komplett unterschiedlich: hier der bescheidene Nowitzki. Dort der aufstrebende und am Rande der Arroganz wandelnde Schröder. Der 23-Jährige mag mit seiner Mentalität in der Heimat nicht überall gut ankommen. Doch ohne dieses Selbstverständnis hätte er es nie in die NBA geschafft. Der deutsche Sport benötigt mehr Gesichter wie Schröder, denen gleichgültig ist, was die Medien von ihnen denken.
Nicht, dass Nowitzkis Führungsstil schlechter war. Als der große Blonde aber mit der Nationalmannschaft um die ganze Welt tourte, schienen die anderen Spieler aus Ehrfurcht zu erstarren. „Bitte gib mir nicht den Ball, wir haben doch einen Superstar“– so die Einstellung. Dagegen überträgt Schröder sein forsches Auftreten auf seine Nebenleute. Bei der EM hat Deutschland die Vorrunde mit drei Siegen und zwei Niederlagen abgeschlossen. Obwohl die Truppe häufig in der Schlussphase schludert, hat sie angeführt von Schröder bislang beste Werbung für Basketball gemacht. Deutschland stellt das jüngste Team der EM – und es spielt mutig auf. Dabei waren die Jungs gar nicht erste Wahl. Erst die Ausfälle der NBA-Spieler Maxi Kleber und Paul Zipser, dem Münchner Maik Zirbes oder Tibor Pleiß, eröffneten die Chance für Neulinge, die sich bisher prächtig verkaufen.