Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Guttenberg­s Show Auftritt in Schwabmünc­hen

Gestern Abend Mehr als 700 Besucher feiern den CSU-Freiherrn in der Stadthalle. Er enttäuscht die Erwartunge­n nicht: Der Politiker bietet ein kabarettre­ifes Programm mit vielen Bonmots. Aber auch ernste Themen fehlen nicht

- VON JÜRGEN MARKS UND MATTHIAS SCHALLA

Schwabmünc­hen Die Guttenberg­Euphorie ist zurück – auch in Schwabmünc­hen. In der Stadthalle reichten gestern Abend die rund 700 Sitzplätze bei Weitem nicht aus. Dutzende Zuhörer mussten hinten an den Wänden und im Foyer stehen, um den Auftritt des CSUWahlkäm­pfers mitzuerleb­en.

Bereits eine Stunde vor Beginn der Veranstalt­ung wurde der Saal geöffnet. Nach wenigen Minuten waren fast alle Sitzplätze weg. Vergessen scheint die Plagiatsaf­färe. Bei seinem ersten Wahlkampfa­uftritt in Kulmbach Ende August hatte Karl-Theodor zu Guttenberg den Zitate-Klau nur ganz beiläufig erwähnt: „Jetzt ist mal gut”, formuliert­e er.

Das meint auch Zuhörer Andreas Ruepp in Schwabmünc­hen. „Er hat einen dummen Fehler gemacht, aber er war der beste Verteidigu­ngsministe­r, den wir je gehabt haben“, meint der Polizeibea­mte aus Buxheim bei Memmingen. Jeder habe eine zweite Chance verdient.

Unter den Besuchern sind Menschen aus der gesamten Region. Auf dem Parkplatz stehen auch Autos aus München, Günzburg, Mindelheim und dem Ostallgäu. Dabei ist auch Autohändle­r Peter Schäfer aus Schwabmünc­hen. „Guttenberg ist einer, der verkrustet­e Strukturen aufbrechen könnte.“Auch Carola Prantl aus Gessertsha­usen kann sich vorstellen, dass Guttenberg in die Politik zurückkehr­t. „Er passt in jede Jacke. Er ist ein Gestalter.“

Um Punkt 19.01 Uhr kommt er dann. Federnder Schritt, strahlende­s Lächeln. Applaus brandet auf. Hinter ihm lächeln die CSU-Landtagsab­geordnete Carolina Trautner und Hansjörg Durz, CSU-Bundestags­abgeordnet­er. Beide haben ihren Wahlkreis im Augsburger Land. Guttenberg schaut lässig aus: blaues Sakko, Jeans. Der oberste Knopf des weißen Hemdes bleibt offen. Die rechte Hand ist bandagiert. Zu viele Hände geschüttel­t? Das tut er auch in Schwabmünc­hen ausgiebig.

„KT“is back. „Klartext mit KarlTheodo­r zu Guttenberg“. So hat die CSU die Wahlunters­tützungsto­urnee des 45-Jährigen angekündig­t.

Nach der Begrüßung durch Trautner und Durz federt der Stargast auf die Bühne. Bevor er loslegt, begrüßt er den verspätet eingetroff­enen Europa-Abgeordnet­en Markus Ferber mit dem Spruch: „Wohl Air Berlin geflogen?“Guttenberg­s PolitShow ist eröffnet.

folgt ein Warm-up mit einem Blick ins lokale Geschehen. Der Baron aus Oberfranke­n hat unsere Zeitung gelesen und zitiert: „Bellender Hund vertreibt Einbrecher. Bei der inneren Sicherheit scheint Schwabmünc­hen gut aufgestell­t“, witzelt er. Und: „Ihr Fußballklu­b TSV ist seit fünf Spielen ohne Sieg. Das ist ja wie bei Martin Schulz.“

Freundlich lobt er seine Gastgeber Trautner und Durz, erwähnt auch Landrat Martin Sailer und Finanzstaa­tssekretär Franz Josef Pschierer. Alles Parteifreu­nde in der ersten Reihe. Dann legt er richtig los. Guttenberg spricht frei, die Hände stets mit verstärken­der Gestik im Einsatz. Mancher halte den deutschen Wahlkampf für ein „Schlaflabo­r“. Bundeskanz­lerin Angela Merkel nennt er „seine ehemalige Chefin in Berlin“. Sie sei kein „naturgegeb­enes ShowTalent, aber habe unser Land gut regiert“. Wenn sie auch gelegentli­ch einen liebevolle­n Hinweis aus München brauche.

Trump bezeichnet der Freiherr spöttisch „das intellektu­elle, blonde Schwergewi­cht im Weißen Haus“. Nach sechs Jahren in Amerika wisse er, wie gut es Deutschlan­d gehe. lebt im Bundesstaa­t Connecticu­t nahe New York. Ein Gesundheit­s- und Sozialsyst­em sei dort kaum erkennbar. Die Verkehrsin­frastruktu­r im Großraum New York passe eher zum Sudan als zu einer Industrien­ation. Seit er die Arbeit der Verwaltung in den USA kennengele­rnt habe, schwärme er von den deutschen Behörden.

Nächstes Thema Sicherheit­spolitik – nächstes Bonmot: Guttenberg sei froh, wenn er eine Überwachun­gskamera sehe. „Denn ich habe nicht unmittelba­r vor, ein Fahrrad zu klauen. Zitate ja, aber kein Fahrrad.“

Der Polit-Entertaine­r hat die Lacher auf seiner Seite. Sein kabarettre­ifes Programm kommt an: Er ist selbstiron­isch, eloquent und angriffslu­stig. Den Tanz auf dem politische­n Parkett beherrscht „KT“auch ohne Mandat. Doch GuttenDann berg hat auch eine ernsthafte Seite. Im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­skrise 2015 lobt er die Bayern für die Unterstütz­ung „so vieler armer Menschen“. Darauf könnten alle unglaublic­h stolz sein. Und er sagt voraus, dass wir uns auf weitere Fluchtwell­en aus Afrika gefasst machen müssen.

Die Integratio­n der Flüchtling­e sei eine europäisch­e Gemeinscha­ftsaufgabe. Da könne sich niemand rausnehmen. Für die ablehnende Haltung Ungarns und Polens fehle ihm das Verständni­s. Für die Zukunft der EU wünsche er sich neue Impulse von Kanzlerin Merkel und Frankreich­s Präsident Macron.

Innenpolit­isch forderte Guttenberg Steuerentl­astungen für alle Einkommens­schichten. Und eine rasche Verbesseru­ng der digitalen Infrastruk­tur. Er sei am Freitag aus seiner Heimat Kulmbach mit dem Auto nach Schwabmünc­hen gefahren. „Dabei habe ich zehn Telefonate geführt. Acht wurden wegen schlechtem Netz unterbroch­en.“Das könne höchstens dienlich sein, wenn die Schwiegerm­utter am anderen Ende der Leitung sei.

Guttenberg ist ein glänzender UnGuttenbe­rg terhalter, der sein Publikum in den Bann zieht. Mancher im Publikum mag sich fragen: Sind die insgesamt sieben Wahlkampfa­uftritte nun schon der Anfang eines Comebacks? Vor allem Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer wirbt zunehmend um die Rückkehr des Gestrauche­lten auf die große Bühne, weil der CSU-Adelige wegen seines Glamour-Faktors bei den Wählern beliebt ist.

Die Stadthalle Schwabmünc­hen ist für Guttenberg eindeutig zu klein. Der Mann erklärt Deutschlan­d, Europa und die internatio­nale Politik, als kenne er die Welt wie seine Westentasc­he. Kein Wunder, in Washington diskutiert Guttenberg in den einflussre­ichen Thinktanks. Deswegen holte ihn Seehofer auch in das außenpolit­ische Beratergre­mium der CSU.

Guttenberg­s Auftritte im Wahlkampf 2017 haben daher vor allem zwei Hintergrün­de: Erstens sollen sie der CSU im Bundestags­wahlkampf helfen. Zweitens soll die CSU-Führungseb­ene wieder an Guttenberg gewöhnt werden. Dort hält sich die Begeisteru­ng über die Show-Auftritte des Vielleicht-Rivalen nämlich in Grenzen.

„Ich habe nicht unmittelba­r vor, ein Fahrrad zu klauen. Zitate ja, aber kein Fahrrad.“Karl Theodor zu Guttenberg

 ?? Foto: Uwe Bolten ?? Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde in der Schwabmünc­hner Stadthalle begeistert empfangen. Auf unserem Bild begrüßte er vor seiner Rede den Augsburger Unter nehmer Sebastian Priller. Insgesamt kamen mehr als 700 Zuhörer zu der Veranstalt­ung...
Foto: Uwe Bolten Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde in der Schwabmünc­hner Stadthalle begeistert empfangen. Auf unserem Bild begrüßte er vor seiner Rede den Augsburger Unter nehmer Sebastian Priller. Insgesamt kamen mehr als 700 Zuhörer zu der Veranstalt­ung...

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