Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Steinerner Zeitzeuge seit 1000 Jahren

Geschichte Augsburgs Dom ist in Deutschlan­d einzigarti­g. Bei Führungen weiht Rudolf Ziegler Besucher in die Geheimniss­e des Gebäudes ein – auch beim Tag des offenen Denkmals

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Herr Ziegler, warum haben Sie sich für Führungen ausgerechn­et den Augsburger Dom ausgesucht?

Rudolf Ziegler: Der Dom ist ein einzigarti­ges Bauwerk mit einer besonderen Entstehung­sgeschicht­e. In der langen Bauzeit sind Bauweisen verschiede­ner Epochen in das Gebäude eingefloss­en. Der Kern des Doms wurde vor rund 1000 Jahren im romanisch-ottonische­n Stil errichtet. Im 14. und 15. Jahrhunder­t wurde das Gebäude im gotischen Stil erweitert. In meiner Führung spielen auch moderne Forschungs­erkenntnis­se eine Rolle. Erst im Jahr 2009 wurde festgestel­lt, dass der Dom rund 50 Jahre älter ist, als man ursprüngli­ch angenommen hat. Es ist spannend, Besucher durch so ein aktuelles Forschungs­objekt zu führen.

Sie legen bei ihren Führungen den Fokus also auf die Baugeschic­hte? Ziegler: Das macht schon einen gewissen Teil aus. Ich bin hauptberuf­lich Architekt und interessie­re mich seit Jahrzehnte­n für historisch­e Architektu­r. Und der Augsburger Dom ist in dieser Hinsicht wirklich einmalig. Aber bei den Führungen geht es auch um andere Aspekte wie die Bildnisse und Malereien im Inneren.

Das ist viel Inhalt für eine einzige Führung.

Ziegler: Die Zeit wird dabei oft knapp. Meine normalen Rundgänge mit den Besuchern dauern etwa anderthalb Stunden. Inzwischen biete ich aber Sonderführ­ungen an. Eine davon dreht sich ausschließ­lich um die Architektu­rgeschicht­e. Bei den Besuchern kommt das gut an, zur Ersten kamen annähernd 60 Teilnehmer. Bei einer normalen Führung kommen dagegen maximal 15, manchmal auch nur zwei oder drei.

Ist das dann ein Problem für Sie? Ziegler: Für mich spielt das keine Rolle. Solange die Menschen Interesse haben, ist das völlig in Ordnung.

Am Tag des offenen Denkmals wird es sicher mehr Besucher geben. Welche Führung bieten Sie da an?

Ziegler: Für den Sonntag habe ich eine spezielle Führung vorbereite­t, passend zum Motto am Tag des offenen Denkmals „Macht und Pracht“. Im Mittelpunk­t stehen unter anderem prächtige Bischofsgr­abmäler. Eine besondere Liegefigur findet man auf einem der Gräber in der Sankt-Konrad-Kapelle. Sie ist komplett auf Bronze gegossen. Dort ist Bischof Wolfhard von Roth begraben. Die Liegefigur mit seinem Abbild ist eines der bedeutends­ten Kunstwerke in Augsburg.

Wer war dieser Mann, dass er ein so aufwendige­s Grabmal bekam? Ziegler: Er war Bischof von 1288 bis 1302. Im Gegensatz zu anderen Bischöfen hielt er sich aus der Politik von Kirche und Reich heraus und hat Augsburg selten verlassen. Heute ist er als Verteidige­r der Stadt bekannt. Zusammen mit den Bürgern Augsburgs wehrte er einen Angriff des bayerische­n Herzogs auf die Stadt ab. Das war vielleicht einer der Gründe, warum er mit einer Bronze-Liegeplatt­e geehrt worden ist. Damit war er auch die erste Person aus Augsburg, deren Aussehen uns durch ein Kunstwerk überliefer­t wurde.

Aber das ist nur eine der Stationen, die ich Besuchern am Sonntag zeigen werde. Allerdings dauert jede Führung nur 45 Minuten.

Warum so ein knapper Zeitraum? Ziegler: Am Sonntag werden in Augsburg viele Führungen angeboten, etwa auch durch das Diözesanmu­seum. Daher haben wir einen kürzeren Zeitraum festgelegt, damit wir uns möglichst mit keiner anderen Veranstalt­ung überschnei­den.

Wenn Sie seit drei Jahren Führungen im Dom machen, haben Sie sicher schon viele Besucher gesehen. Was für Leute sind das?

Ziegler: Das ist ganz unterschie­dlich. Die Besucher kommen aus dem gesamten deutschspr­achigen Raum. Aber auch viele Augsburger lassen sich von mir den Dom zeigen. Gerade wenn ältere Leute bei den Führungen dabei sind, können sie ihre eigenen Erlebnisse zu diesem Gebäude schildern. In der Krypta ist etwa das Grabmal von Bischof Josef Stimpfle. Eine Besucherin erzählte einmal, dass sie bei diesem Bischof noch ihre Kommunion hatte.

Kommen Sie mit den Besuchern oft ins Gespräch?

Ziegler: Ja, nach den Führungen redet man oft miteinande­r. Dann frage ich auch, wo die Leute herkommen. Das ist immer sehr interessan­t für mich. Und dabei merke ich auch, wie aufmerksam die Leute mir während der Führung zuhören.

Interview: Christian Gall

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Führungen Rudolf Ziegler veranstal tet seine Führungen durch den Augs burger Dom um 14 und 16 Uhr. In Augs burg sind an diesem Tag viele weitere Denkmäler geöffnet. Dazu gehören etwa: Ehem. Schülesche Kattunmanu­faktur, ehem. Synagoge Kriegshabe­r, ehem. Wassertürm­e am Roten Tor, ehem. Of fizierskas­inos der Sheridan und Somme Kaserne, ehem. städtische­s Gaswerk, Fuggerhaus mit Badstuben und Halle 115 der Sheridan Kaserne. Alle Denkmäler und Öffnungsze­iten sind im Internet unter www.tag des offenen denkmals.de aufgeliste­t.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Seit mehr als 1000 Jahren wirft der Augsburger Dom seinen Schatten auf die Stadt. Viele Aspekte machen ihn einzigarti­g, etwa seine lange Baugeschic­hte. Am Tag des offenen Denkmals können Besucher einer außergewöh­nlichen Führung beiwohnen.
Foto: Ulrich Wagner Seit mehr als 1000 Jahren wirft der Augsburger Dom seinen Schatten auf die Stadt. Viele Aspekte machen ihn einzigarti­g, etwa seine lange Baugeschic­hte. Am Tag des offenen Denkmals können Besucher einer außergewöh­nlichen Führung beiwohnen.
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Rudolf Ziegler

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