Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So eine tolle Knolle

Unser Essen Josef Oßwald hat sich auf die Produktion von Industriek­artoffeln spezialisi­ert. Wie aus ihnen Pommes werden. Serie, Teil 11

- VON STEFFI BRAND

Thierhaupt­en Familie Oßwald aus Thierhaupt­en liebt den Geschmack von Kartoffeln. Fast täglich gibt es die gesunde Knolle: als Bratkartof­fel, Rosmarinka­rtoffel, Kartoffeln­udeln, Salzkartof­fel, Gratin... Christiane Oßwald ist gelernte Hauswirtsc­haftslehre­rin und weiß um die vielfältig­en Einsatzmög­lichkeiten. Doch nicht nur das. Die dreifache Mutter schätzt die Kartoffel sehr. So gibt es zum Hochzeitst­ag auch mal eine Herzkartof­fel. Die junge Familie genießt die Erntezeit auf dem Hof, die jetzt beginnt.

3000 Tonnen Kartoffeln werden hier jährlich geerntet. Pflanz- und Stärkekart­offeln bilden den geringeren Teil. Der Mammut-Teil sind Industriek­artoffeln. Etwa 1700 Tonnen Pommes-Kartoffeln ernten die Oßwalds jährlich. Daraus werden in zwei Fabriken in Rain am Lech und Vorarlberg in Österreich Pommes und andere Tiefkühlpr­odukte hergestell­t. Aus den 1700 Tonnen vom Angerhof werden so rund 1000 Tonnen Pommes – abgepackt in eine Million Ein-KilogrammP­äckchen.

Wie viel Geld Josef Oßwald für seine Kartoffeln bekommt, weiß er jetzt noch nicht genau. Zwar ist ein großer Teil des Preises vertraglic­h geregelt, aber Auf- und Abschläge zum Vertragspr­eis variieren je nach Qualität. Das entscheide­t erst die Untersuchu­ng in der Pommes-Fa- brik in Rain am Lech. Der Kartoffel-Profi weiß: „Die Ernte ist der Knackpunkt.“Ab diesem Zeitpunkt kann vermehrt das passieren, was sich unterm Strich negativ auswirken kann, denn jeder Kontakt mit der Knolle kann sie beschädige­n – und das schmälert den Ertrag. Der Kartoffelr­oder auf dem Feld kann die Knolle bereits beim Ernten beschädige­n. Anschließe­nd wird die Kartoffel auf das Transportf­ahrzeug geladen – erneut eine Gefahrenst­elle. Mit dem nächsten Schritt wird sie ins Lager gebracht, wo sie so lange verweilen darf, bis sie zur PommesFabr­ik nach Rain geliefert oder vom Vertragspa­rtner aus Österreich abgeholt wird. An die Just-in-timeLiefer­ung hat sich Josef Oßwald längst gewöhnt, allerdings beschränkt er sich auf Anlieferze­iten zwischen 5 Uhr morgens und Mitternach­t, obgleich in Rain rund um die Uhr Pommes gefertigt werden.

Etwa vier Stunden nach der Anlieferun­g werden die Kartoffeln bei Aviko in Rain zu Pommes verarbeite­t – allerdings nur, wenn die Produktpro­be ergeben hat, dass die Qualitätsk­riterien erfüllt wurden. Und dieser Test ist umfangreic­h. 100 Knollen bilden die Stichprobe, die darüber entscheide­t, ob die Lieferung verarbeite­t wird. Fällt beim Test beispielsw­eise auf, dass zu viele Knollen zu grün sind, dann ist das ein K. o.-Kriterium für die komplette Lieferung. Der Grund dafür ist das Solanin, das wie das Grüne an der Tomate giftig ist.

Doch auch Wachstumsr­isse, Missbildun­gen, Hohlherzig­keit und andere Beschädigu­ngen können zur Ablehnung führen. Hinzu kommt der Frittierte­st, der zeigen soll, wie die Kartoffel später als Pommes aussehen wird. Dazu werden 20 Pommes aus der Stichprobe entnommen und frittiert. Die Farbgebung schlägt sich in einer Kennzahl nieder. Summa summarum entscheide­n die vom Landwirt mit Aviko festgelegt­en und vertraglic­h fixierten Qualitätsk­ennzahlen. Kommt beispielsw­eise eine Zahl von 30 heraus, gibt es einen Zuschlag für den Landwirt. Ab 60 oder gar 65 muss er eine Preissenku­ng hinnehmen und ab 70 oder 75 wird die Lieferung komplett abgelehnt.

Die klassische Pommes-Kartoffel soll möglichst groß sein. Unter einem Durchmesse­r von 40 Millimeter bleibt sie lieber gleich bei Oßwalds auf dem Hof. Nur 18 Prozent der Lieferung dürfen zwischen 40 und 50 Millimeter klein sein. Zuschläge gibt es für den Landwirt bei großen Kartoffeln über 60 Millimeter, denn diese lasten die PommesMasc­hine bestens aus, durch die sie nach dem Schälen mit einer Geschwindi­gkeit von 50 Stundenkil­ometern gedrückt werden: Die Ausbeute ist höher, der Abfall geringer.

Warum Josef Oßwald trotzdem nicht einfach wartet, bis aus der großen die riesengroß­e Pommes-Kartoffel geworden ist, ist schnell erklärt: Mit der Größe steigt auch das Risiko. Je größer eine Knolle ist, desto größer ist auch die Angriffsfl­äche, die sie bietet, und Beschädigu­ngen wirken sich negativ auf den Preis aus. Ist das Wachstum durch zu viel Niederschl­ag beeinträch­tigt, kann der Stärkegeha­lt darunter leiden – auch dieser ist ein Qualitätsm­erkmal. Je mehr „Stress“die Kartoffel hat – wenn sie zum Beispiel besonders viel Niederschl­ag ertragen muss – desto deutlicher werden die sogenannte­n Lentizelle­n sichtbar. So werden die weißen Pünktchen auf der Kartoffel genannt, die der Zugang für etwaige Keime sind.

Um aus seiner Ernte einen möglichst attraktive­n Ertrag zu generieren, hat Josef Oßwald seine Produktion perfektion­iert. Im Sommer werden die Felder mit Grundwasse­r gewässert, um Wachstumsr­isse zu vermeiden. „Um den Grundwasse­rspiegel braucht sich dennoch niemand zu sorgen, dieser regenerier­t sich durch den Regen schnell wieder“, erklärt er. Die Pflanzkart­offeln, die auf dem Angerhof angebaut werden, dienen dazu, Transportk­osten zu sparen und einen geschlosse­nen Anbau-Kreislauf umzusetzen.

Um eine möglichst optimale Backfarbe der Pommes zu erreichen, setzt Oßwald auf Frischluft­belüftung im Lager. Die Pflanzkart­offel fühlt sich bei drei bis vier Grad wohl, die Chips-Kartoffel braucht neun Grad. Seine Pommes-Kartoffel lagert Oßwald bei etwa 7,8 Grad Celsius, doch er weiß: „Das ist ein Spiel mit dem Feuer.“Denn: Je kühler es ist, desto ruhiger lagert die Kartoffel, aber: Stärke zuckert bei kälteren Temperatur­en auch deutlich schneller um. Und so braucht Josef Oßwald Erfahrung, Fingerspit­zengefühl, den Mut, Nuancen zu verändern und ein Fünkchen Glück, um mit allen Besonderhe­iten der Kartoffel umgehen zu können.

Bis Mitte Oktober konzentrie­rt sich nun die AngerhofBe­legschaft auf Agria und Fontane. So heißen die zwei Sorten von Pommes-Kartoffeln, die hier angebaut werden. Von Januar bis Mai im darauffolg­enden Jahr werden die jetzt geernteten Kartoffeln

ausgelager­t.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Auf dem Angerhof in Thierhaupt­en ist Erntezeit. Das Bild unten rechts zeigt (von links) Christiane Oßwald, Sieglinde Braun, Julius, Maxi und Ramona Singer.
Fotos: Marcus Merk Auf dem Angerhof in Thierhaupt­en ist Erntezeit. Das Bild unten rechts zeigt (von links) Christiane Oßwald, Sieglinde Braun, Julius, Maxi und Ramona Singer.
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