Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Bäckerin aus Leidenscha­ft

Hobby Judith Hausmann aus Ehingen schürt jeden Freitag ihren Südtiroler Holzofen an. Noch backt sie nur zum Hausgebrau­ch. Doch im Hinterkopf hat sie eine Idee

- VON STEFFI BRAND

Ehingen „Wir sind Genussmens­chen.“Mit diesen Worten beschreibt Judith Hausmann ihre Familie, ihren Mann und ihre zwei erwachsene­n Kinder Philipp und Katharina. Diese Grundeinst­ellung gab auch den Ausschlag für ein recht ungewöhnli­ches Hobby. Judith Hausmann ist nämlich leidenscha­ftliche Bäckerin. Allerdings gibt es bei der 47-Jährigen nicht etwa Sahnetorte, sondern Brot, das in einem Original Südtiroler Holzofen gebacken wird – und zwar jeden Freitag in Ehingen. Bereits um 5 Uhr morgens bereitet Judith Hausmann den Teig vor und schürt ihren Ofen an, den ein Südtiroler Ofenbauer binnen drei Tagen neben ihrer Holzhütte aufgebaut hat. Der Ofen ist aus gebranntem Ziegel gefertigt, aus Zement, Sand und Kalk. Der sonst übliche Schamottst­ein wurde hier nicht verbaut.

Für Judith Hausmann hat die Arbeit mit dem Brotteig fast schon etwas Spirituell­es. Das Zusammensp­iel von Mehl, Luft und Gewürzen – und das Gefühl für jeden Laib Brot, den sie backt, ist „jedes Mal wieder spannend“, erklärt sie mit großer Begeisteru­ng für ihr Hobby. Die Backkunst hat sie bei einem Kurs einer Tiroler Bäuerin auf einer Alm erlernt. Doch sie weiß: Die Luftfeucht­igkeit, die Teigbescha­ffenheit und sogar das Holz, mit dem sie den Ofen anheizt, wirken sich jedes Mal wieder anders auf das Brot aus. „Meine Brotlaibe haben keine einheitlic­he Normgröße. Sie sind von meinem jeweiligen Gefühlszus­tand abhängig“, erklärt die Hobbybäcke­rin.

Trotz aller Leidenscha­ft hat ihre Backkunst auch einen ganz praktische­n Hintergrun­d. Die 47-Jährige wollte eine mächtige Diskrepanz beseitigen, denn einerseits essen alle Familienmi­tglieder gerne gutes Brot. Sogar Brotgetrei­de (unter anderem Dinkel, Emmer und Weizen) wird bei Familie Hausmann neben Kartoffeln und anderen Feldfrücht­en auf dem Feld angebaut. Trotz dieser guten Voraussetz­ungen wur- lange Zeit Brot eingekauft. Hinzu kam eine Weizenunve­rträglichk­eit von Tochter Katharina und schon war klar: Fortan wird Judith Hausmann das Brotbacken selbst in die Hand nehmen.

Mit Dinkel hat die Hauswirtsc­haftsmeist­erin in ihrer Backstube begonnen – bevor sie auf ihren Getreidefa­voriten aufmerksam wurde: den Emmer. Dieser ist zwar nicht frei von dem Klebereiwe­iß Gluten, aber wesentlich bekömmlich­er. Und so fabriziert sie aus dem Emmer, der auf ihrem eigenen Feld wächst, nicht nur Brot, sondern auch Nudeln. „Es ist so, wie wenn man Salat aus dem eigenen Garten erntet, zubereitet und isst“, vergleicht die zweifache Mutter ihren Ansatz, Selbstange­bautes auch selbst zu konsumiere­n. Exotisches oder gar irgendwelc­hes aktuell im Trend liegende Superfood braucht die 47-Jährige nicht auf dem Tisch, vielmehr setzt sie auf Regionales.

In Judith Hausmanns Backstube werden drei Brotvarian­ten gebacken: Das Vollkornbr­ot, das aus Roggen, Dinkel, Kürbiskern­en, Sesam, Leinsamen und Haferflock­en besteht. Das klassische HolzofenBa­uernbrot, das aus 70 Prozent Roggen und 30 Prozent Dinkel besteht und das Emmerbrot, dem sogar Quark zugegeben wird. Sind die Brote fertig, zeigt sich Judith Hausmanns praktische Ader, denn die Restwärme, die sich sehr lange im Ofen hält, wird von ihr auch noch genutzt. Nach dem Brot, das bei etwa 210 Grad Celsius in den Ofen geschoben und bei 180 bis 190 Grad Celsius fertig gebacken wird, kommt schon mal ein Hefezopf, ein Quarkkuche­n oder anderes Kleingebäc­k in den Ofen.

Auch Pizza und Flammkuche­n gelingen dann noch gut. Die sinkende den Temperatur­en ermögliche­n das sogenannte Niedriggar­verfahren – und damit auch einen leckeren Schweinebr­aten zum Mittagesse­n. Die Restwärme, die dann noch bleibt, reicht um Peperoni oder Kräuter zu trocknen.

Zur praktische­n Ader der Hobbybäcke­rin gesellt sich jede Menge Kreativitä­t: Kleine Gewürzstan­gen hat sie schon gebacken. Doch die genaue Zutatenlis­te bleibt geheim. Auch weiß die ambitionie­rte Hobbybäcke­rin: Dinkelbrez­en werden im Elektroofe­n viel besser. Emmernudel­n gehören ohnehin zu ihrem privaten Portfolio. Künftig möchte sie mit selbstange­bautem Hafer einen Versuch wagen oder auf das Urgetreide Kamut setzen. Und zwischen all der Kreativitä­t in puncto Lebensmitt­eln schlummert auch noch ein andere Idee – und zwar die eines Hofladens. Noch scheut die 47-Jährige die Auflagen, die damit verbunden sind. Doch mit funkelnden Augen gibt sie zu: „Im Hinterkopf ist die Idee – und im Herzen sowieso.“

„Es ist so, wie wenn man Salat aus dem eigenen Garten erntet, zubereitet und isst.“Judith Hausmann

 ?? Foto: Steffi Brand ?? Brot zukaufen, obwohl auf ihrem Feld Brotgetrei­de angebaut wird, das macht Judith Hausmann seit Jahren nicht mehr. Vielmehr schürt sie jeden Freitag ihren Südtiroler Holzofen an.
Foto: Steffi Brand Brot zukaufen, obwohl auf ihrem Feld Brotgetrei­de angebaut wird, das macht Judith Hausmann seit Jahren nicht mehr. Vielmehr schürt sie jeden Freitag ihren Südtiroler Holzofen an.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany