Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der „kleine Michael“kehrt zurück

Historie Die mächtige Bronze-Skulptur am Zeughauspo­rtal beeindruck­t einen kleinen Augsburger Buben nachhaltig. Wie der Erzengel zu einem „Doppelgäng­er“im Kleinforma­t kam

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

St. Michael und die Kinder, das ist in Augsburg ein ganz besonderes Verhältnis. Immer am 29. September, dem Namenstag des Heiligen, ziehen sie vor den Perlachtur­m und verfolgen das Schauspiel in der Kuppel, in dem der Heilige den Teufel besiegt.

Auch den kleinen Max Schwarz, der 1848 als Sohn eines Schreinerm­eisters in der Jakobervor­stadt zur Welt kam, fasziniert­e der Erzengel. Allerdings der, der am Eingangspo­rtal des Zeughauses in einer mächtigen Bronzeskul­pur seinen Kampf mit Luzifer ausficht. Der Bildhauer Hans Reichle hatte die mächtige Figurengru­ppe 1603 als Fassadensc­hmuck für das reichsstäd­tische Zeughaus geschaffen. Wie begeistert der kleine Max davon war, zeigt ein Satz aus der Chronik der Familie Schwarz: „Wenn ich einmal viel Geld habe, lasse ich mir diesen Michael nachmachen.“ Nun, Max Schwarz kam zu Geld. Wie Heimatfors­cher Franz Häußler herausfand, wurde aus ihm ein respektabl­er Geschäftsm­ann. Das fünfte von sechs Kindern bekam die bestmöglic­he Schulbildu­ng. Sie ermöglicht­e ihm eine Lehre im Bankhaus Bonnet. Als 30-Jähriger wurde Schwarz dort dann auch Teilhaber und betrieb die Bank zusammen mit zwei seiner Brüder. In vielen anderen Unternehme­n saß Schwarz, der 1887 den Titel „Königlich-Bayerische­r Kommerzien­rat“erhielt, zudem im Aufsichtsr­at. So war er Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates von MAN. Auch politisch war er aktiv, war Mitglied im Stadtmagis­trat, Handelsric­hter beim Landgerich­t und Vertreter seiner Heimatstad­t im Bayerische­n Landtag. Am 29. Juni 1917 starb er in seinem Haus in der Stettenstr­aße 10.

Das hatte Max Schwarz 1910 erworben und umgebaut. Laut Familiench­ronik ließ der Hausherr im Speisezimm­er über einem eingebaute­n Schrank eine Nische in Form eines auf der Spitze stehenden halben Eis einbauen. Hier fand jene Michaelsfi­gur, die ihn in Kindertage­n so beeindruck­t hatte, in einer 80 Zentimeter großen Replik ihren Standort. Der renommiert­e Münchner Bildhauer Franz Bernauer, hatte die Figur entworfen, gegossen wurde das Werk dann bei der Firma Linde.

Auch nach Max Schwarz’ Tod vor 100 Jahren blieb die Bronzeplas­tik im Besitz der Familie – allerdings nicht mehr in Augsburg. Tochter Bertha Louisa hatte sie geerbt und bei ihrer Heirat mit nach München genommen. Eine Ururenkeli­n von Max Schwarz, die in Bad Saulgau lebt, hatte nun der Zeughausve­rwaltung die kleine Skulpur zum Ankauf angeboten. Der Familie liege viel daran, den „kleinen Michael“wieder in die Heimatstad­t von Max Schwarz zu bringen, denn, so heißt es in der Familiench­ronik, er „hing sehr an seiner Vaterstadt und ihr Ergehen lag ihm sehr am Herzen.“

„Über dieses Angebot mussten wir nicht lange nachdenken“, sagt Zeughaus-Leiterin Sabine Rebouh, zumal der Kaufpreis im niedrigen vierstelli­gen Bereich lag. So konnte der „kleine Michael“wieder in seine Heimat zurückkehr­en und wurde gestern, am Tag des offenen Denkmals, in der Foyer-Galerie des Zeughauses enthüllt, wo er nun zu den Betriebsze­iten des Hauses zu sehen ist – in unmittelba­rer Nähe zum mächtigen Original.

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Zeichnung: Klaus Müller
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Foto: Häußler Der „kleine Michael“
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Max Schwarz

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