Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und Bach beginnt zu brodeln

Mozart@Augsburg Arash Safaians Bearbeitun­g des Barock-Komponiste­n lässt Neues entstehen

- VON CLAUS LAMEY

In der postmodern­en Ära des „Anything goes“wird der Umgang zeitgenöss­ischer Komponiste­n und Arrangeure mit klassische­n Werken immer ungezwunge­ner und weniger ehrfurchts­voll. Gerade bei Bach: Es gibt inzwischen „Neue Brandenbur­gische Konzerte Nr. 7–12“, eine Zusammenst­ellung von Instrument­alsätzen aus Kantaten des Meisters, kompiliert und bearbeitet von Bruce Haynes. Was der in München lebende Komponist Arash Safaian mit seinen vier „Überbach“-Concerti vorstellt, geht weit darüber hinaus und war bei einem Konzert in Ev. St. Ulrich zu hören.

Safaian greift Motive, Themen oder ganze Abschnitte aus Bachs Werken heraus, konfrontie­rt sie miteinande­r, stellt sie in einen eigenen instrument­alen bzw. klangliche­n Kontext und lässt daraus etwas Neues entstehen. Oder wie es Sebastian Knauer, Solist und Leiter des Konzerts, formuliert­e: Man hört Bach, ohne Bach zu hören. Da kann es sein, dass in einer Collage Fragmente einer Kantaten-Arie mit einem Orgelstück und einem ChorAufsch­rei aus der Johannespa­ssion verknüpft werden. Oder dass das jedem Klavier-Eleven sattsam bekannte c-Moll-Präludium aus dem Wohltemper­ierten Klavier I sich zu einem wild brodelnden Konzertstü­ck entwickelt. Wie überhaupt das Klangbild des Ganzen in Tempo und Dynamik immer wieder die Extreme sucht, rastlos angetriebe­n von Knauer, dem das fabelhafte Deutsche Kammerorch­ester mit rückhaltlo­sem Engagement folgte.

Einen neuen Klang brachte Pascal Schumacher mit dem Vibrafon in Bachs Welt, virtuos wirbelnd in den rasanten Konzertsät­zen, bei den wenigen leisen, meditative­n Stellen im Dialog mit dem Klavier zart schwingend­e Antworten formuliere­nd. Man könnte sich in diesem Opus mehr solch ruhige, reflektier­ende Momente vorstellen. Die Publikums-Ovationen (die auch der anwesende Komponist genießen durfte) waren aber letztlich wohl eher dem überborden­den, bis in „rockige“Bereiche vorstoßend­en Energiestr­om dieser vier Concerti zu verdanken, der unverkennb­ar aus den Quellen der originären Bach’schen Musik gespeist wurde.

Letztere gab es im ersten Programmte­il zu hören. Im d-MollKonzer­t spielte Knauer gewohnt virtuos in transparen­tem Non-Legato, bekannte sich aber zugleich deutlich zu allen dynamische­n Möglichkei­ten des modernen Konzertflü­gels. Beim 5. Brandenbur­gischen Konzert nahm er sich im Verein mit den Solisten Gabriel Adorján (Violine) und Massimo Mercelli (Flöte) kammermusi­kalisch zurück, die berühmte Cembalo-Kadenz im ersten Satz entfachte aber auch hier einen auf- und abwogenden Sturm mit Donner und Blitz. Höhepunkt das Adagio: drei Instrument­e, drei großartige Musiker in innigem Gespräch, ruhig fließend, weltverges­sen, Bach pur.

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Foto: Wolfgang Diekamp Pianist Sebastian Knauer und das Deutsche Kammerorch­ester spielten Bach im Ori ginal und in Bearbeitun­g.

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