Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Für die Rolling Stones reist er um die Welt

Sammler Johannes Herden aus Schwabmünc­hen hat in 40 Jahren ungezählte Kilometer für Konzerte der Kultband zurückgele­gt. Wie er einst ein Schweißban­d an Keith Richards verloren hat und was sein größter Traum ist

- VON UWE BOLTEN

Schwabmünc­hen Das schmucke Esszimmer weist in keiner Weise auf die Leidenscha­ft von Johannes Herden hin. Wäre da nicht die kleine Blechdose für Pfeffermin­zbonbons. Sie steht auf dem Regal und trägt das Logo der Rolling Stones. Auch Herdens T-Shirt, das an den Auftritt der Rock-Band im Londoner Hyde Park erinnert, gibt einen Hinweis: Hier ist die Heimat eines eingefleis­chten Fans der britischen Band.

1974, als Ilja Richter alle Größen des Popgeschäf­ts in seiner „Disco“präsentier­te, bekam die Plattensam­mlung des jungen Johannes Herden Zuwachs. Peter Alexander erhielt unmittelba­re Konkurrenz von einer Schallplat­te der Rolling Stones. Herdens Eltern hatten sie ihm – mit einem Schuss Naivität– zum Geburtstag geschenkt. „Die Musik der Stones gefiel mir anfangs gar nicht“, gesteht er. Erst nach mehrmalige­m Hören habe er Feuer gefangen. Dieses Feuer bekommt neue Nahrung, wenn am morgigen Dienstag Herden mit der ganzen Familie nach München ins Olympiasta­dion reist, um die Rolling Stones zum nunmehr 39. Mal zu erleben.

Die Leidenscha­ft des Mittfünfzi­gers für die Rockhelden steckte in der Vergangenh­eit auch die Familie an. „Ich habe als Kind schon Satisfacti­on mit der Luftgitarr­e gespielt. Höre ich die Stones im Radio, musste ich sofort an Papa denken“, sagt die 24-jährige Tochter Bianca. Mit dem Hinweis auf die Ex-Ehefrau von Mick Jagger fügt Vater Johannes direkt hinzu: „Ratet mal, warum meine Tochter so heißt?“. Ehefrau Heidi teilt die Begeisteru­ng ihres Mannes nur teilweise. „Bei einigen Konzerten bin ich dabei. Mir gefällt die Musik auch ganz gut, aber ich bin nicht so vernarrt wie er“, sagt sie.

Im Partykelle­r des Hauses wird die Begeisteru­ng des Besitzers für die 1962 in England gegründete Rockband offensicht­lich. Tour-Plakate aus verschiede­nen Jahren zieren die Wände, an einer Pinnwand sind ungezählte Tickets und Erinnerung­en an die besuchten Konzerte angebracht. „Das ist das Ticket des ersten Konzerts, das ich mit Freunden besucht habe“, sagt Herden schon fast wehmütig. Damals sei er mit Freunden unter einem Vorwand nach München gefahren, da die Eltern diese „Rauschgift-Leute“ablehnten. Die Karten haben sie auf dem Schwarzmar­kt erworben. „Es war einfach gigantisch. Ich werde nie vergessen, wie Mick Jagger am Piano saß und Fool To Cry spielte.“

Ein schwarzer Karton unter der gemütliche­n Eckbank am großen Tisch beinhaltet weitere Schätze. Vorsichtig, beinahe ehrfürchti­g, holt Herden die über lange Zeit gesammelte­n Magazine, Fotobücher und Kalender aus der Schachtel. Überall ist das weltbekann­te Bandlogo, die „Tongue And Lips“, zu erkennen. „1998 hatten wir beim Konzert in New York so gute Plätze ergattert, dass ich Auge in Auge mit den Stones war.“Er reckte sein Schweißban­d mit der Stones-Zunge nach oben und Keith Richards griff danach. „Ich wollte es nicht hergeben, aber er zog fest daran und nahm es mit. Vielleicht hängt es ja jetzt über seinem Bett“, erzählt Herden und schmunzelt.

Dies ist nur eine Geschichte aus den zahlreiche­n Anekdoten, die der Wirtschaft­sinformati­ker erlebt hat. „Wir haben in Autos und Zelten neben den Arenen und Hallen geschlafen, haben in Kanada die Warnung vor Bären mit Bier herunterge­spült und wurden danach bei der Einreise in die USA nachts um drei auf dem Weg nach Indianapol­is komplett gefilzt“, erinnert sich „Jagger“. So nennen ihn seine Freunde.

Die Liste der besuchten Auftrittso­rte liest sich wie ein Reisekatal­og. Toronto, München, New York, Köln, Barcelona, Prag, London, Abu Dhabi, Indianapol­is, Paris sowie Sao Paulo und Rio de Janeiro. Herdens Urlaubspla­nung richtet sich hauptsächl­ich nach den Konzerten.

„Das in Zürich wird das 40. sein, das ich erlebe“, sagt er. Die Konzerte seien immer etwas unterschie­dlich und würden daher nicht langweilig. „Ich habe mittlerwei­le ein Gespür, wie Mick Jagger, Keith Richards oder Ron Wood drauf sind, wenn sie die Bühne betreten“, erzählt er. Während Jagger den Blick oft in die Weite der Arena richte, mache Richards auf ihn einen sehr sympathisc­hen Eindruck, da er die Fans vor sich im Blick habe.

„Mein größter Traum wäre es, einmal mit den Jungs auf der Bühne zu stehen“, träumt der Hobby-Gitarrist, der in jungen Jahren mit der Tanz-Band „Early Bird“, in Begleitung des heutigen Schwabmünc­hner Bürgermeis­ters Lorenz Müller am Bass, bei kleinen Konzerten auftrat. „Eine Dose Bier mit Mick Jagger täte es auch schon“, seufzt er und räumt in Gedanken an die kommenden Konzerte in München und Zürich die Devotional­ien wieder in die schwarze Kiste.

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Die Serie In loser Folge stellen wir auf „Region Augsburg“Menschen vor, die im Urlaub keine Souvenirs sammeln, son dern Erlebnisse – Alpenpässe, Kultur hauptstädt­e, Pilgerwege, Sonnenaufg­än ge oder was auch immer – und darüber tolle Geschichte­n erzählen können.

Liste der Auftrittso­rte liest sich wie ein Reisekatal­og

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Fotos: Uwe Bolten An einer Pinnwand im Keller kann Johannes Herden anhand Tickets seine bisherigen Konzertbes­uche nachvollzi­ehen. Bald kommt eine weitere Karte hinzu, denn am morgigen Dienstag besucht der Schwabmünc­hner in München das Konzert der Rolling Stones.
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In seinem Keller bewahrt der Sammler viele Schätze auf, die ihn an seine Lieb lingsband erinnern.

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