Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Alternativ­e zum Supermarkt

Handel Immer mehr Ladenbesit­zer setzen auf den etwas anderen Verkauf von regionalen Lebensmitt­eln. Susanne Brückner ist eine davon. Sie sagt, wie das Geschäft mit den Erzeugern geregelt ist

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Nachhaltig, Bio und noch gut für die regionale Landwirtsc­haft. Immer mehr junge Projekte bieten genau das an, indem sie Produkte vom Bauernhof von nebenan direkt dem bewussten Käufer verkaufen – auch in Augsburg. Dazu führen Start-ups wie Gmias.com, Marktschwä­rmerei Augsburg oder die Solidarisc­he Landwirtsc­haft Augsburg einfach ein Angebot verschiede­ner Bauernhöfe zusammen, und liefern diese, nach der Online-Bestellung, entweder nach Hause oder organisier­en einmal die Woche eine Art kleinen Wochenmark­t, auf dem die zuvor reserviert­en Produkte abgeholt werden können.

Wer etwa bei Gmias.com einkauft, sucht sich auf der Homepage einen Bauernhof aus, wählt aus dem Lebensmitt­elangebot und bestellt. Das laufe in etwa so bequem ab, heißt es, wie ein Kauf bei Amazon oder Zalando. Nur werden hier eben Eier, Karotten, Kürbisse und Honig geliefert. Das Ganze übrigens schon am darauffolg­enden Tag – kohlendiox­idneutral versteht sich, mit einem Elektroaut­o.

„Anfangs mussten wir darum

635 Mitglieder und zwölf Erzeuger

kämpfen, die Erzeuger und Landwirte für unsere Plattform zu gewinnen, da diese der ‚Digitalisi­erung‘ noch ehe skeptisch gegenübers­tehen“, sagt Philipp Lechner. Inzwischen aber laufe das Projekt besser als erwartet. „Die Resonanz ist phänomenal.“Ähnliches kann Susanne Brückner von der Marktschwä­rmerei berichten, die seit Mai dieses Jahres in Augsburg ein Geschäftsm­odell organisier­t. Aufgrund des rasant wachsenden Kundenstam­ms war bereits nach wenigen Wochen ein Umzug in ein größeres Lokal, das Aktif Café, notwendig. Inzwischen kann das Projekt 635 Mitglieder und zwölf Erzeuger vorweisen.

Womit dieser Erfolg begründet ist? Lechner geht davon aus, dass das generelle Bewusstsei­n für ein nachhaltig­es Konsumverh­alten in der Gesellscha­ft mittlerwei­le viel stärker vorhanden ist und weiter zunimmt. Dazu kommt, dass man durch das Internet und die sozialen Medien wie Facebook leicht eine Verbindung zwischen Käufern und Anbietern schaffen kann. Diese Annahme bestätigen repräsenta­tive Umfragen wie die des Kompetenzz­entrums Ernährung. Danach schenken rund 60 Prozent der Bayern Waren aus der Region großes Brückner hingegen sieht diese Entwicklun­g nicht ganz unkritisch. Dass bewusstes Essen und Ernähren zu einem gesunden Lebensstil beitragen, daran habe sie keine Zweifel. „Auf der anderen Seite steht eine gewisse Skepsis darüber, wenn das Stichwort ,regional‘ zum Marketing und Kauftreibe­r wird.“Denn Trends gehen vorüber. Daher wünscht sie sich, dass die Menschen „umdenken und nicht, wenn der Trend auf Instagram und Co. verebbt, wieder in alte Gewohnheit­en fallen“.

Mit den Supermarkt­preisen, die oftmals auf Kosten von Natur, Mensch und Tier zustande kommen, können die Projekte nicht mithalten – und das entspricht auch gar nicht ihrer Idee. „Wir möchten in erster Linie die Bauern unterstüt- dass diese mehr Marge erhalten von ihren Erzeugniss­en“, erläutert Lechner. Konkret wird hier Brückner von der Marktschwä­rmerei: „83,3 Prozent vom Produktpre­is bei den Marktschwä­rmern kommen bei den Erzeugern, die schließlic­h davon leben müssen, an. Beim Supermarkt kommen im Durchschni­tt 20 bis 30 Prozent beim Erzeuger an.“Den sich daraus ergebenden Mehrpreis zahlen die meisten Menschen gerne. Laut der Umfrage des Kompetenzz­entrums Ernährung halten 80 Prozent die höheren Preise für regionale Produkte für angemessen.

Was man allerdings überhaupt unter dem Schlagwort „regional“zu verstehen hat, ist nicht klar geregelt, der Begriff ist weder geschützt noch gesetzlich definiert. Vor allem, wenn die Ware aus mehreren ZutaVertra­uen. ten besteht, bleibt unklar, nach welchen Kriterien die Regionalit­ät bestimmt werden soll. Müssen alle Ingredienz­ien aus der Umgebung kommen, nur die Hauptzutat oder reicht es gar, wenn lediglich in der Nachbargem­einde zubereitet und verpackt wurde? So genau weiß das keiner, und darum schafft sich jeder seine eigenen Vorgaben.

Gerade bei als „regional“bezeichnet­en Produkten in Supermärkt­en, längst sind Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka auf den Trend aufgesprun­gen, sollte man das Label hinterfrag­en. Der indonesisc­he Kaffee wurde nämlich ganz sicher nicht in Schwaben angebaut. Transparen­ter agieren da die Augsburger Startups. Bei Gmias.com muss der Bauernhof im Umkreis von 80 Kilometern anbauen, bei der Marktschwä­rzen, merei Augsburg liegt die durchschni­ttliche Entfernung der Erzeuger sogar bei nur zehn Kilometern. Die Landwirte selbst nehmen diese Entwicklun­g mit weniger Idealismus als die Start-up-Gründer an. Sie hoffen vor allem, sich auf diese Weise einen neuen Markt mit neuem Kundenstam­m erschließe­n zu können. Hagenbusch von der Gärtnerei Koch, die mit Gmias.com zusammenar­beitet, kann sich nicht vorstellen, dass sich solche Projekte bereits rechnen, glaubt jedoch, dass sich der Onlineeink­auf auch von frischen Lebensmitt­eln früher oder später durchsetze­n wird. Hagenbusch selbst kann durch seine Teilnahme bei Gmias.com bisher keine nennenswer­te Umsatzstei­gerung verbuchen, aber er stellt fest: „Geh mit der Zeit, oder geh mit der Zeit“.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Susanne Brückner setzt mit ihrer „Marktschwä­rmerei“ein Konzept um, bei dem sie eng mit Bauern aus der Region kooperiert. Von der Idee sollen in erster Linie die Erzeuger profitiere­n, wenn die Kunden mitspielen.
Foto: Silvio Wyszengrad Susanne Brückner setzt mit ihrer „Marktschwä­rmerei“ein Konzept um, bei dem sie eng mit Bauern aus der Region kooperiert. Von der Idee sollen in erster Linie die Erzeuger profitiere­n, wenn die Kunden mitspielen.

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