Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Alternative zum Supermarkt
Handel Immer mehr Ladenbesitzer setzen auf den etwas anderen Verkauf von regionalen Lebensmitteln. Susanne Brückner ist eine davon. Sie sagt, wie das Geschäft mit den Erzeugern geregelt ist
Nachhaltig, Bio und noch gut für die regionale Landwirtschaft. Immer mehr junge Projekte bieten genau das an, indem sie Produkte vom Bauernhof von nebenan direkt dem bewussten Käufer verkaufen – auch in Augsburg. Dazu führen Start-ups wie Gmias.com, Marktschwärmerei Augsburg oder die Solidarische Landwirtschaft Augsburg einfach ein Angebot verschiedener Bauernhöfe zusammen, und liefern diese, nach der Online-Bestellung, entweder nach Hause oder organisieren einmal die Woche eine Art kleinen Wochenmarkt, auf dem die zuvor reservierten Produkte abgeholt werden können.
Wer etwa bei Gmias.com einkauft, sucht sich auf der Homepage einen Bauernhof aus, wählt aus dem Lebensmittelangebot und bestellt. Das laufe in etwa so bequem ab, heißt es, wie ein Kauf bei Amazon oder Zalando. Nur werden hier eben Eier, Karotten, Kürbisse und Honig geliefert. Das Ganze übrigens schon am darauffolgenden Tag – kohlendioxidneutral versteht sich, mit einem Elektroauto.
„Anfangs mussten wir darum
635 Mitglieder und zwölf Erzeuger
kämpfen, die Erzeuger und Landwirte für unsere Plattform zu gewinnen, da diese der ‚Digitalisierung‘ noch ehe skeptisch gegenüberstehen“, sagt Philipp Lechner. Inzwischen aber laufe das Projekt besser als erwartet. „Die Resonanz ist phänomenal.“Ähnliches kann Susanne Brückner von der Marktschwärmerei berichten, die seit Mai dieses Jahres in Augsburg ein Geschäftsmodell organisiert. Aufgrund des rasant wachsenden Kundenstamms war bereits nach wenigen Wochen ein Umzug in ein größeres Lokal, das Aktif Café, notwendig. Inzwischen kann das Projekt 635 Mitglieder und zwölf Erzeuger vorweisen.
Womit dieser Erfolg begründet ist? Lechner geht davon aus, dass das generelle Bewusstsein für ein nachhaltiges Konsumverhalten in der Gesellschaft mittlerweile viel stärker vorhanden ist und weiter zunimmt. Dazu kommt, dass man durch das Internet und die sozialen Medien wie Facebook leicht eine Verbindung zwischen Käufern und Anbietern schaffen kann. Diese Annahme bestätigen repräsentative Umfragen wie die des Kompetenzzentrums Ernährung. Danach schenken rund 60 Prozent der Bayern Waren aus der Region großes Brückner hingegen sieht diese Entwicklung nicht ganz unkritisch. Dass bewusstes Essen und Ernähren zu einem gesunden Lebensstil beitragen, daran habe sie keine Zweifel. „Auf der anderen Seite steht eine gewisse Skepsis darüber, wenn das Stichwort ,regional‘ zum Marketing und Kauftreiber wird.“Denn Trends gehen vorüber. Daher wünscht sie sich, dass die Menschen „umdenken und nicht, wenn der Trend auf Instagram und Co. verebbt, wieder in alte Gewohnheiten fallen“.
Mit den Supermarktpreisen, die oftmals auf Kosten von Natur, Mensch und Tier zustande kommen, können die Projekte nicht mithalten – und das entspricht auch gar nicht ihrer Idee. „Wir möchten in erster Linie die Bauern unterstüt- dass diese mehr Marge erhalten von ihren Erzeugnissen“, erläutert Lechner. Konkret wird hier Brückner von der Marktschwärmerei: „83,3 Prozent vom Produktpreis bei den Marktschwärmern kommen bei den Erzeugern, die schließlich davon leben müssen, an. Beim Supermarkt kommen im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent beim Erzeuger an.“Den sich daraus ergebenden Mehrpreis zahlen die meisten Menschen gerne. Laut der Umfrage des Kompetenzzentrums Ernährung halten 80 Prozent die höheren Preise für regionale Produkte für angemessen.
Was man allerdings überhaupt unter dem Schlagwort „regional“zu verstehen hat, ist nicht klar geregelt, der Begriff ist weder geschützt noch gesetzlich definiert. Vor allem, wenn die Ware aus mehreren ZutaVertrauen. ten besteht, bleibt unklar, nach welchen Kriterien die Regionalität bestimmt werden soll. Müssen alle Ingredienzien aus der Umgebung kommen, nur die Hauptzutat oder reicht es gar, wenn lediglich in der Nachbargemeinde zubereitet und verpackt wurde? So genau weiß das keiner, und darum schafft sich jeder seine eigenen Vorgaben.
Gerade bei als „regional“bezeichneten Produkten in Supermärkten, längst sind Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka auf den Trend aufgesprungen, sollte man das Label hinterfragen. Der indonesische Kaffee wurde nämlich ganz sicher nicht in Schwaben angebaut. Transparenter agieren da die Augsburger Startups. Bei Gmias.com muss der Bauernhof im Umkreis von 80 Kilometern anbauen, bei der Marktschwärzen, merei Augsburg liegt die durchschnittliche Entfernung der Erzeuger sogar bei nur zehn Kilometern. Die Landwirte selbst nehmen diese Entwicklung mit weniger Idealismus als die Start-up-Gründer an. Sie hoffen vor allem, sich auf diese Weise einen neuen Markt mit neuem Kundenstamm erschließen zu können. Hagenbusch von der Gärtnerei Koch, die mit Gmias.com zusammenarbeitet, kann sich nicht vorstellen, dass sich solche Projekte bereits rechnen, glaubt jedoch, dass sich der Onlineeinkauf auch von frischen Lebensmitteln früher oder später durchsetzen wird. Hagenbusch selbst kann durch seine Teilnahme bei Gmias.com bisher keine nennenswerte Umsatzsteigerung verbuchen, aber er stellt fest: „Geh mit der Zeit, oder geh mit der Zeit“.