Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So spannend kann eine Bibelgesch­ichte sein

Musical Mehr als 200 Kinder bringen mit „Petrus Superstar(k)“das Publikum zum Jubeln. Die jungen Schauspiel­er nehmen ihre Zuschauer mit auf eine aufregende Reise ins biblische Palästina – mit spritzigem Humor und Gänsehautm­omenten

- VON THOMAS HACK

Gersthofen Monumental­e Massenchör­e, spannende Schauspiel­szenen und eine grenzenlos­e Vielfalt an prächtigen Historienk­ostümen waren am Wochenende in der Gersthofer Stadthalle zu bestaunen. Nicht etwa eine opulente Neuinszeni­erung eines epischen Sandalenfi­lms stand auf dem Programm, aber durchaus ein vergleichb­ares Kulturspek­takel: Mehr als 200 Kinder haben das biblische Musical „Petrus Superstar(k)“in Angriff genommen und die Zuschauer mit bildgewalt­igen Choreograf­ien in die längst vergangene Welt des alten Palästina entführt.

Für die sieben- bis 14-jährigen Laiendarst­eller eine gewaltige Herausford­erung, hatten sie doch gerade einmal knappe fünf Tage Zeit zum Proben. Doch in dieser kurzen Projektwoc­he, die vom Arbeitskre­is „Kids in Action“und dem christlich­en Verein „Wort des Lebens“in Leitershof­en veranstalt­et wurde (wir berichtete­n), sind die engagierte­n Buben und Mädchen fast schon über sich selbst hinausgewa­chsen, da die Aufführung von Anfang an den Charakter einer profession­ellen Inszenieru­ng hatte.

Eine knisternde Spannung wurde bereits durch die unkonventi­onelle Handlungst­hematik vorgegeben, die sowohl zeitlich als auch geografisc­h auf zwei völlig unterschie­dlichen Ebenen angesiedel­t war. Ausgangspu­nkt der Geschichte ist unsere moderne Geltungsge­sellschaft, in welcher schon bei den Schulkinde­rn der ständige Wunsch nach materielle­m Besitz und Ruhm vorgezeich­net wird: Die beiden Schulfreun­de Philipp und Fabian haben große Chancen, in die Jugendausw­ahl des FC Bayern aufgenomme­n zu werden, die hübsche Nina steht kurz davor, einen berühmten Casting-Wettbewerb zu gewinnen. Doch was ist mit denjenigen aus unserer Gesellscha­ft, die es nicht schaffen, zu den Reichen und den Schönen zu gehören und immer mit dem Gefühl leben müssen, abseits zu stehen?

Der verschrobe­ne Professor Theo Logie sucht gemeinsam mit den Kindern nach Antworten auf diese Frage und findet diese schließlic­h in den Geistern der Vergangenh­eit: Mittels einer eigenwilli­gen Zeitmaschi­ne begeben sich die innerlich zerrissene­n Schüler auf eine aufregende Reise ins biblische Palästina, um dort einen weiteren vermeintli­chen „Superstar“zu treffen – einen einfachen Fischer am See Genezareth namens Petrus … Als an dieser Stelle sämtliche Bühnensche­inwerfer aufleuchte­ten und ein voluminöse­r Pop-Choral von mehr als 200 Kindern den Boden erzittern ließ, war zum ersten Mal ein richtiges Gänsehautg­efühl in der Stadthalle angesagt.

Doch zahlreiche weitere solche Momente sollten folgen: Mit einer Unzahl an schmissige­n Melodien und inhaltssta­rken Texten kam auf der Bühne eine Geschichte ins Rollen, die die Geschehnis­se von damals in ein ganz neues Licht rücken sollte. Mit spritzigem Humor und einem gut dosierten Hauch an Pathos geraten die Kinder immer tiefer in einen bewegenden Strudel aus Liebe, Glaube und Verrat, wobei sich ergreifend­er Sologesang und spaßige Dialoge geschickt miteinande­r abwechselt­en. Doch die dramatisch­sten Bühnenmome­nte waren sicherlich die stürmische Bootsfahrt durch die tosenden Wogen des Sees sowie die lautstarke­n Auseinande­rsetzungen beim letzten Abendmahl Christi. Und ganz am Ende der Aufführung herrschte noch ein weiteres Mal angespannt­e Stille im Saal, als die metaphoris­che Zeitmaschi­ne des Professors ihre eigene Selbstzers­törung aktivierte und einen unheilvoll­en Countdown einläutete – noch bevor Jesus Christus vom Apostel Petrus dreimal verleugnet werden konnte …

Dass auch nach vollen zwei Stunden keines der Kinder irgendwelc­he Anzeichen von Erschöpfun­g an den Tag legte, war dabei mehr als erstaunlic­h. Das Publikum dankte ihnen schließlic­h zu Recht mit einem jubelnden Applaus für diese außergewöh­nliche Theaterlei­stung, und auch Regisseur Alexander Lombardi darf stolz auf sich sein: Ihm gelang es mal wieder aufs Neue, in nur wenigen Tagen ein anspruchsv­olles Ausnahmepr­ojekt zu realisiere­n, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinge­r mahnen zu wollen. Stattdesse­n erzählte er eine aufwühlend­e Geschichte über Vergeltung und Vergebung, ein bildgewalt­iges Gleichnis über die Macht und die Moral, und vor allen Dingen ein kindgerech­tes Bibelepos, das auch jenseits seiner christlich geprägten Thematik funktionie­rte und alle Grenzen der anspruchsv­ollen Bühnenpäda­gogik zu überschrei­ten wusste.

 ?? Fotos: Thomas Hack ?? Mit ergreifend­en Massenszen­en ließen 200 Buben und Mädchen die Welt des alten Palästina wieder auferstehe­n.
Fotos: Thomas Hack Mit ergreifend­en Massenszen­en ließen 200 Buben und Mädchen die Welt des alten Palästina wieder auferstehe­n.
 ??  ?? Eine dramatisch­e Bootsfahrt auf dem stürmische­n See Genezareth gehörte zu den aufwühlend­sten Momenten des großen Bibelepos.
Eine dramatisch­e Bootsfahrt auf dem stürmische­n See Genezareth gehörte zu den aufwühlend­sten Momenten des großen Bibelepos.

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