Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Raus aus den Schulden

Finanzen Eine Expertin des Diakonisch­en Werks Augsburg berät in Fischach. Was bei Geldproble­men wichtig ist

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Fischach Mehr als jeder Zehnte der Erwachsene­n in Deutschlan­d ist überschuld­et. Die Zahl der Privatinso­lvenzen steigt. Rund 680 000 Menschen warten derzeit auf eine Schuldenbe­freiung. Schulden sind aber immer noch ein großes Tabuthema. Dies bestätigt Sabine Roth. Sie ist Diplom-Sozialpäda­gogin beim Diakonisch­en Werk Augsburg und kommt einmal im Monat als Schuldnerb­eraterin in die Familienst­ation Fischach.

Die meisten Menschen suchen eine Schuldnerb­eratungsst­elle erst sehr spät auf. „Da laufen oft bereits Mahnungen und gerichtlic­he Zwangsvoll­streckungs­maßnahmen, nicht selten ist das Konto gekündigt“, berichtet Roth. Wichtig sei dann, diesen Menschen ihre Ängste vor der finanziell­en Situation zu nehmen. Die weiteren Schritte: Lösungsweg­e beschreibe­n und mit den Klienten besprechen, was in ihrer Lage möglich ist. Überschuld­ung sei in allen Altersgrup­pen anzutreffe­n, so Roth. „Die meisten Ratsuchend­en gehören der Altersgrup­pe der 28- bis 60-Jährigen an.“

Viele Faktoren für den Anstieg der privaten Überschuld­ung sind gesellscha­ftsrelevan­t. Beispiele sind verlockend­e Kredite, unsichere Jobs, aber auch Handykoste­n und Internetkä­ufe. Doch verschwend­erischer Konsum und unangemess­ene Lebensführ­ung seien nicht die Hauptauslö­ser für finanziell­e Krisen, weiß Sabine Roth. „Wesentlich­e Faktoren sind unvorherge­sehene Lebenserei­gnisse, wie Arbeitslos­igkeit, Krankheit, Scheidung und dauerhafte­s Niedrigein­kommen.“ Dann sei, vor allem bei alleinerzi­ehenden Müttern, das Abgleiten in die Überschuld­ung rasch passiert.

„Eigentlich kann den Einstieg in die Schuldensp­irale jeden treffen“, ergänzt Gabriele Wagner, Leiterin der Familienst­ation in Fischach und Dinkelsche­rben. Sie verweist auf die in letzter Zeit auch im ländlichen Raum explodiere­nden Mietkosten. „Dann können Geldschuld­en Existenzen, Familien und Leben zerstören.“Die Schuldfrag­e spiele für ihre Arbeit keine Rolle, sagt Sabine Roth. Neben den finanziell-wirtschaft­lichen und rechtliche­n Aspekten beurteilt sie die Klienten nach ihrem gesamten sozialen Umfeld. Nur so sei eine individuel­le und nachhaltig­e Lösung zu finden, betont sie.

Fast die Hälfte der Klienten weisen sieben bis 20 Gläubiger auf und haben Schulden von 10 000 bis 50 000 Euro. Ziel sei, die Ratsuchend­en schuldenfr­ei zu machen. Die Schuldnerb­eraterin erstellt eine Übersicht über alle Einnahmen und Ausgaben, eine Gläubigerl­iste und einen Haushaltsp­lan. Nächster Schritt sei es, die laufenden Kosten zu verringern und Einnahmen, etwa durch Sozialhilf­e oder Arbeitslos­engeld II, zu erhöhen. Miet- und Stromkoste­n hätten Priorität. Alle anderen Dinge seien untergeord­net.

Gehen solche Schicksale nahe? Sabine Roth wie auch Gabriele Wagner bejahen dies. „Wir empfinden oft Hilflosigk­eit“, sagen sie. Wie kann man sich vor Verschuldu­ng schützen? Sabine Roth muss nicht lange nachdenken: „Weniger Geld ausgeben, als man einnimmt.“

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Foto: Siegfried P. Rupprecht Schuldnerb­eraterin Sabine Roth (links) und die Leiterin der Familienst­ationen Fischach und Dinkelsche­rben, Gabriele Wagner.

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